4.529x gelesen 4x abonniert Ausgabe 27/24 04.07.2024 Wallanders Depesche Jetzt registrieren

Überraschende Wende Verfasst am : 22.09.2009 00:48

Es war ein lauer Septembertag, als der Insolvenzverwalter Kurt Wallander die Geschäftsstelle von Die schwarze Faust 07 betrat. Draußen roch es schon nach Herbst, man konnte förmlich die Blätter riechen, die von den Straßenbäumen der Buschkrugallee zu Boden fielen. Wallander steckte den Schlüssel in das Schloß der Geschäftsstelle. Einen Erfolg hatte er schon vom Dienstschreibtisch aus erwirkt: der befürchtete Lizenzentzug konnte abgewendet werden und die Mannschaft tritt weiterhin in der 2. Bundesliga an. Und nun betrat er das Heiligtum des Vereins und will selbst dieses große Stück Tradition retten, den Verein wieder aufwärts führen.
"Hier wurde eine Weile nicht Staub gewischt", stellte Wallander mit einem Anflug von Zynismus fest, nachdem er mit den Fingern über das Treppengeländer aus Eichenholz gegangen war. Langsam schleppte er sich mit seinem Troß in das Obergeschoss. Am Büro mit dem Schild KSD blieb Wallander stehen. Er schloss die Tür auf und betrat den Raum. Es roch nicht mehr nach Herbst, sondern nur noch muffig. "Anne-Gret, lüften sie bitte. Und morgen möchte ich ein Schild mit meinem Namen an der Tür sehen. Ich bereite jetzt die Pressekonferenz vor. Die Journalisten kommen bald und ich will sie nicht enttäuschen, sorgen sie dafür, dass ich bis dahin nicht gestört werde", sagte Wallander seiner Vorzimmerdame Ann-Britt Höglund. Ann-Britt ging rasch aus Wallanders neuem Büro und schloß die Tür hinter sich.
Wallander ließ sich auf die klobige Ledercouch seines Vorgängers fallen. Er würde ihn ausfinding machen und besuchen, nahm er sich vor. Irgendwo bei der Armenspeisung würde er ihn schon finden. Doch nun musste er sich sammeln, Notizen machen, um mit der Presse zu reden. Die Zeit verging zügig. Nach einer halben Stunde machte er sich in den Pressekonferenzraum auf. Das Leder der Couch quietschte, als er aufstand. Der Dielenboden knarzte. Er machte sich Gedanken, ob er das Jacket anlassen sollte oder ob es besser ist, es auszuziehen und die Hemdsärmel hochzukrämpeln. Doch er erinnerte sich des Kaffeeflecks an der Schulter, da er sich beim Frühstück zu blöd angestellt, aber auch keine Zeit mehr hatte, das Hemd zu wechseln. Er ging hinab und kam in den Raum der Konferenz. Auf dem Podium saß schon Trainer Stu Dettmero. Ihn hatte er hierher bestellen lassen. In Kenntnis über die neuen Vorgänge war der Trainer noch nicht. Ann-Britt eröffnete die Pressekonferenz. Wallander suchte in seiner Jackettasche seine Notizen. Doch ihm fiel ein, dass er sie auf den Beistelltisch neben der Couch abgelegt hatte. Er überlegte kurz, ob der Beistelltisch aus Kirschholz war. Was könnte es sonst sein, denn so dunkles Holz sieht man selten, dachte er sich. Als Ann-Britt mit den Worten "Herr Wallander wird ihnen alles weitere erläutern" endete , entschied sich Wallander die kurze Ansprache frei zu halten. "Sehr geehrte Damen und Herren, sie waren sicherlich überrascht, als das Telefax mit der Einladung zur Pressekonferenz bei ihren Redaktionen einging. Der Verein gilt ja als tot. Ich bekam die Akte auf den Tisch, um ihn abzuwickeln. Jedoch will ich dieses Stück Tradition erhalten und verhandle mit den Gläubigern. Ich werde nichts abwickeln, sondern entwickeln. Der Verein wird in die Regionalliga absteigen, das steht jetzt schon am 3. Spieltag fest. Vielleicht verhindern wir den freien Fall in die Oberliga, aber auch das kann ich nicht versprechen. Ich will den Mythos erhalten. Zuerst werden wir schrittweise die Zuschauerzahlen verbessern, dann folgen weitere Investitionen. Wir brauchen viel Geduld. Vielleicht werden wir personell Abstriche machen müssen" - bei diesen Worten wurde Stu Dettmero blass, hat man ihn zu seiner beruflichen Exekution gerufen, fragte er sich selbst. Dabei wollte er seinen Abgang selbst bestimmen - "Arbeitsplatgarantien gibt es nur für den Trainer, den Co-Trainer, den Jugendtrainer und die Merchandise-Managerin. Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, ich muss mir ein genaueres Bild machen. Ich danke für ihre Aufmerksamkeit, Fragen sind nicht zugelassen", endete Wallander. Er posierte dann für die Photografen gemeinsam mit dem Trainer.
Sein nächster Weg führte ihn zu den Trägern des Erfolgs: zum Team. Er verließ die Geschäftsstelle und ging zu den Kabinen. Schweißgeruch machte sich in seiner Nase breit, doch er ging weiter. In der Kabine angekommen grölten die Spieler herum, sie schienen ihn nicht wahrzunehmen. Auch ein Räuspern half nicht. Er griff zu einer herumstehenden leeren Bierflasche und zerschlug sie an einem Spind. Stille kehrte ein. Nur ein Pfurz von Mike Wetklo und Kichern von allen Seiten unterbrachen die Stille. "Freunde, ich bin der Insolvenzverwalter dieses Vereins. Viele von euch kennen dieses Wort nicht, das macht aber auch nichts. Versucht einfach so gut zu spielen, wie ihr könnt. Mich stört es aber auch nicht, wenn ihr über euch hinauswachst. Das war es auch schon. Ich will euch nicht weiter stören", sagte Wallander, schob mit dem Fuß eine Flaschensplitter zur Seite und ging hinaus. Er kehrte wieder in die Geschäftsstelle zurück, ging aber nicht sofort in sein Büro, sondern lugte durch den Türschlitz von Ann-Britts Büro. Sie hat ihre Beine auf den Schreibtisch ausgestreckt, wodurch sie mehr in ihrem Bürostuhl lag als saß. Dabei telefonierte sie. Sie merkte, dass sie beobachtet wurde und winkte ihn hinein. In ihm kam Freude auf, es war das Gefühl, das er immer wieder beim Anblick von Frauen Anfang 20 hatte. Sie könnte seine Tochter sein, aber das spielte keine Rolle. Für seine chronisch eifersüchtige Ehefrau aber schon. Sie hatte aber schon bei Ann-Britts Vorvorgängerin das Handtuch geworfen und sich erhängt - am Heiligen Abend. Wallander hatte seine Familie vollkommen vergessen, während er mit seiner Linda damals im Bett lag. Als er nach Hause kam, war es zu spät: unter dem Tannenbaum lag nicht eine langweilige Krawatte, wie sie seine Frau ihm jedes Jahr schenkte, sondern seine Frau. Ein besseres Geschenk hätte er sich nicht vorstellen können, nur für seine Kinder tat es ihm leid. Aber wenigstens musste er sein Weihnachtsgeschenk nicht umtauschen wie all die anderen Jahre. Mit Schaudern erinnerte er sich des Stresses im Nachweihnachtsgeschäft. Vollgefressene Leute, die die Wirklichkeit gewordenen Fehleinschätzungen ihrer Liebsten in Bares umwandeln wollten. Schnell begrub er den Gedanken an jene schneereiche Nacht in Malmö. Wie lange würde er brauchen, um Ann-Britt flachzulegen? Noch im Gedanken klingelte Ann-Britts Handy, sie musste Feierabend machen. Frustriert zog Wallander sich in sein Büro zurück. Das Schild an der Tür würde hoffentlich morgen ausgetauscht. Er legte sich auf die Ledercouch und dachte darüber nach, dass er am nächsten Tag Kraft brauchen würde. Schließlich wollte er Ann-Britt knacken. Es war mittlerweile schon Abend geworden. Bald nickte er weg. Es war der Abend eines viel zu lauen 21. Septembers, aber ein würdiger letzter kalendarischer Sommertag. Morgen ist mit der Tag-und-Nacht-Gleiche Herbstanfang. Wallander träumte von Ann-Britt.

geschrieben von KSD

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3.25/20

Kommentare

Robscha schrieb am 04.11.2009 00:10 Uhr

nice nice

Hadrich schrieb am 03.11.2009 20:45 Uhr

lange rede viel sinn

snakebody schrieb am 03.11.2009 20:27 Uhr

Voll Funnie mit viel Ironie und Witz. Allerdings ähnelt dies sehr einem Liebesroman :D

onesto schrieb am 03.11.2009 19:11 Uhr

Mal etwas Nettes zum schmunzeln in unserer harten Managerwelt

yankee57 schrieb am 03.11.2009 18:20 Uhr

ganz stark

Killer_T schrieb am 03.11.2009 17:42 Uhr

eine spannende geschichte