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Reise zu den Spielen - Stu Dettmero als Trainer entlassen. Verfasst am : 25.09.2009 00:08

Kurt Wallander war euphorisiert. Endlich war es so weit und er konnte sich auf die Reise zur Eröffnungsfeier des XIII. Neuköllner Atzencups machen. Reisen machte ihm Spaß. Aber dennoch: er hatte schon viel gehört von diesem Turnier - und wenig positives. Es soll alles voller Proleten sein. Genau das hasste er so am Fußball. Diese ganzen versoffenen Penner, die wie verrückt ihrem Verein zujubeln, aber in ihrem Leben außer dem täglischen Haufen nichts produzieren. Sozialversager. In seiner schwedischen Heimat wollte Wallander mal ein paar davon überfahren, aber der Lebenserhaltungstrieb war bei ihnen größer, sie sind aus dem Weg gesprungen.
Er kam im Stadion des Gastgebers an und er war enttäuscht, da die Reise viel zu kurz war. Von der Buschkrugallee war es nicht weit. Hier sollte also das Turnier stattfinden. Lex Lucer hatte zu einer kleinen Eröffnungsfeier geladen, bei der der Spielplan vorgestellt werden sollte. Um letzte Einzelheiten zu besprechen, saßen die acht Manager vor Beginn der Feier beisammen. Jeder hatte ein Schild mit seinem Namen und seinem Verein vor sich zu stehen. Aber Wallanders Gefühl täuschte ihn nicht: bei den anderen sieben war das absolut überflüssig. Die kannten sich. Er musterte sie alle. Der erste war ein gewisser Wyver: abwertender Blick, arroganter Habitus, wenngleich absolut unverdient, hierin war Wallander sich sicher, verlebtes Gesicht. Daneben saß der Manager von Fernando Torrs L'pool9: ein Möchtegerntorreslookalike. Mit ihm würde er leichtes Spiel haben, wenn der Verein auch so spielt. Dann kam der Manager des FC Picaldi Neukölln mit dem Namen Kalle. Das Gesicht kannte er. Mit ihm hatte er also das Darlehen ausgehandelt. Der Typ wirkte genauso herablassend und voller Verachtung wie bereits zwei Tage vorher. Dann kam Lex Lucer. Er wollte ja nichts negatives über den Gastgeber denken und ging sofort weiter zum Manager der SSV Fortuna Gropiusstadt. Der Blick war absolut debil, aber nicht weiter der Rede wert. Daneben saß der Manager vom FC Hauptstadtflavour. Eine absolut harmlose Erscheinung - solche Leute unterschätzt man leicht. Zuletzt blickte er auf die Mensch gewordene Alkoholfahne: der Chef der DrunkenKickers. Bei dem ist sogar die Betty-Ford-Klinik hilflos.
Bei der Pressekonferenz mit allen Managern, die vor der eigentlichen Feier abgehalten wurde, erklärte Wallander dann: "Wir werden gewinnen. Wir sind Rekordmeister und bauen das noch aus. Das ist mein Ziel." Wie würden die anderen auf diese mutige Kampfansage reagieren? Würden sie eingeschüchtert sein? Würden sie das gleichgültig hinnehmen? Schallendes Gelächter drang an sein Ohr. Galt es ihm? Er fürchtete sich. Plötzlich fühlte er einen Schmerz auf der Schulter, er wankte mit dem Stuhl. Es war das Gefühl, als ob ein Bär mit seiner Pranke zum tödlichen Schlag ausholen wollte. "Träum weiter, wir kämpfen in der Realität um de letzten Platz", lallte ihm der Manager der DrunkenKickers zu, dem auch die Pranke auf Wallanders Rücken gehörte. Der Schwall der Wodkafahne raubte Wallander das Bewusstsein. Bereits ob des Schlags im Fallen stürzte der Stuhl um und er lag auf dem Boden. Das Gelächter wurde lauter. Wallander fühlte sich schlecht. Er stand auf und ging. Er würde sich an ihnen rächen. Entweder auf dem Spielfeld oder eben woanders. Auf die Feier hatte er keine Lust mehr.
Wieder in der Geschäftsstelle angekommen, beäugte er das Türschild. Es glänzte und war hervorragend poliert. "Ann-Britt, das haben sie sehr gut gemacht", rief er laut und öffnete die Tür zu ihrem Büro. Sie saß am Schreibtisch und schaute verliebt auf einen großen Strauß roter Rosen. Mit gespieltem Charme, der seine Wut verdecken sollte, säuselte er: "Das ist aber ein schöner Strauß. Von wem ist er denn?" - "Stu Dettmero", antwortete Wallanders Vorzimmerdame. "Schicken sie ihn nach dem Spiel zu mir", sagte Wallander entschieden.
Bald nach dem Liga-Spiel kam Dettmero zu Wallander ins Büro. Der Trainer war verunsichert. "Setzen sie sich", wies Wallander ihn an, zeigte auf einen Ledersessel und fuhr fort: "Sie schicken also meiner Vorzimmerdame Rosen. Das tut ihr richtig gut. Wie war das Spiel heute?" - "Sehr schlecht, wir haben 1:2 auswärts verloren. Aber ich bin mir sicher, dass wir das in den Griff kriegen", erklärte Dettmero. Er wollte gerade seine Taktiknotizen aus der Tasche des Trainingsanzugs fingern, als Wallander ansetzte: "Ich bin mir nicht sicher, ob sie den Fokus ausreichend auf das Team setzen. Anstatt irgendwelche Fleurop-Aufträge für meine Sekretärin aufzugeben. Deshalb habe ich mich gemeinsam mit dem übrigen Vorstand - ähm, also mit mir selbst entschlossen, sie zu beurlauben und das Mannschaftstraining Lucky Strike als Spielertrainer zu übergeben." Dettmero war geschockt. "Ich wünsche ihnen einen schönen Tag noch. Melden sie sich beim Arbeitsamt. Sie haben übrigens Hausverbot", rief Wallander dem aus dem Raum taumelnden Trainer hinterher.
Als Wallander in den verdienten Feierabend gehen wollte, war Ann-Britt schon gegangen. Soll sie doch, dachte er sich. Morgen würde er sie endlich knacken. Wallander fuhr nach Hause und genoß noch mehrere Tassen irischen Tees. Der 24. September war für Wallander sehr enttäuschend.

geschrieben von KSD

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