4.522x gelesen 4x abonniert Ausgabe 27/24 02.07.2024 Wallanders Depesche Jetzt registrieren

Die Rückkehr Verfasst am : 26.07.2010 01:11

Es war ein heißer Sommertag und er lag auf dem Sofa, als es klingelte. Er hatte sich gerade mit seinem Eistee hingelegt und wollte einen Porno schauen. Seit sie ihn beim FC Picaldi krankenhausreif geschlagen hatten, war dienstunfähig. Und die dadurch entstehende Freizeit nutzte er nun mit Pornos und Nutten. Den Alkohol hatte er sich abgewöhnt, als er nach dem Krankenhausaufenthalt starke Schmerzmittel nehmen musste. Er blickte auf seinen Fernseher und auf die graue unverputzte Wand dahinter, in so einem Drecksloch hatte er noch nie gelebt. Aber immerhin hatte er dieses Mal zwei Zimmer, anders als bei seiner Wohnung in der Gropiusstadt. Jetzt schlief er in einem anderen Drecksloch, als in dem er seinen Tag verbrachte. Das war schon mal ein Fortschritt. Es klingelte erneut. Er stand auf, zog sich seine Unterhose und ging zur Tür. Durch den Spion sah er einen Mittzwanziger, vielleicht war er auch Ende Zwanzig. Das Gesicht kam ihm bekannt vor und er öffnete die Tür.

"Sind Sie Kurt Wallander", fragte der junge Mann. Wallander nickte und dachte darüber nach, wer da vor ihm stand. In seiner Nase stieg dieser säuerliche Kotzgeruch auf. Jetzt erinnerte er sich: es war Alfons Ricken, ein Spieler von Die schwarze Faust 07. Als Wallander ihn das letzte Mal gesehen hatte, fotografierte Alfons ihn mit seiner Handykamera. Wallander selbst lag dabei in seiner eigenen Kotze. Es schauderte ihn. "Alfons Ricken mein Name. Sie erinnern sich sicherlich. Ich spielte damals bei der schwarzen Faust, als sie den Verein managten. Kann ich kurz hereinkommen", meinte Ricken. Wallander winkte ihn mit einer Geste hinein. "Ich ziehe mir kurz etwas an, gehen Sie in die Küche, da ist es am saubersten", meinte Wallander.

Er ging ins Schlafzimmer und zog sich eine Hose an und warf sich ein Oberhemd über. Was wollte der Junge hier, fragte sich Wallander. Die letzten Worte, die er von Alfons gehört hatte, waren Drohungen und hasserfüllte Äußerungen. Und jetzt sucht er ihn hier in seiner Wohnung auf, nach neun Jahren. Wallander ging in die Küche, dort war Alfons Ricken aber nicht. Stattdessen saß er im Wohnzimmer und schaute sich den Porno an. Ricken hörte offensichtlich, dass Wallander das Wohnzimmer betrat und sagte: "Du bist ja noch genauso ein dreckiges versautes Schwein wie zu der Zeit, als Du meine Mutter gevögelt hast – ähm, als Sie meine Mutter gevögelt haben." Dabei lachte er gehässig. Diese Art machte Wallander wütend. "Was willst Du hier eigentlich", zischte er drohend und griff nach seiner Dienstwaffe. Ricken wurde ernst und sagte: "Ich brauche Hilfe, ich will den Verein retten. Er wird gerade heruntergewirtschaftet."

Wallander war irritiert und wollte mehr wissen. Alfons erzählte ihm die Geschichte des Vereins, seit er ihn verspielt hatte. Seine drei Nachfolger hätten schon verantwortungslos gewirtschaftet. "Aber dann verkauften sie den Verein an so einen dubiosen Britzer, der das Team ausschlachten wollte. Die guten Spieler gingen. Der Verein trat den bitteren Gang in die Oberliga an", erklärte Alfons. "Bist du neidisch, dass du immer noch im Verein spielst", fragte Wallander höhnisch. "Ich verdiene genug Geld, ich bin Zuhälter. Schau auf meine Lederjacke, schau auf meine Goldkette, schau auf meine Designer-Jeans, schau auf meine Schuhe", rief Ricken wild gestikulierend, bis Wallander ihn barsch unterbrach: "Erstens ist die Lederjacke nur ein Imitat, die Kette vergoldet, die Designer-Jeans vom Polen-Markt und die Schuhe sind ein Fake-Kauf von E-Bay. Also erzähl mir nicht, dass du als Zuhälter dick Kohle verdienst." Bedrückt gab Ricken ihm recht: "Ja, es stimmt. Ich verdiene nicht so viel. Ich habe doch nur eine Frau, die für mich arbeitet. Und Mama ist halt auch nicht mehr die jüngste. Zum einen altert sie, sie hat falten, die Brust hängt usw. Zum anderen ist sie nicht mehr so belastbar wie früher." Wallander dachte an früher zurück. Da war Chantal Ricken noch richtig belastbar. Die Stute hat alles mitgemacht. Damals, als er noch nicht so abgerutscht war. Er dachte an die gemeinsamen Nächte zurück. "Du sollst jetzt nicht daran denken, wie es war, als du meine Mutter gefickt hast. Sondern entscheide Dich: Willst Du zurück zur schwarzen Faust oder lässt Du uns im Stich? Wir brauchen einen guten Manager", sagte Alfons eindringlich. "Ich mache es", sagte Wallander. "Gut, die Sommerpause hat gerade angefangen. Komm morgen zur Vertragsunterschrift in die Vereinszentrale", wies ihn Ricken an, stand auf und ging. War das wirklich die richtige Entscheidung? Ich bin mir unsicher, dachte sich Wallander. Er setzte sich hin und schaute den Porno weiter, den er vor Alfons Rickens Besuch geschaut hatte.
Es war ein stickiger 19. Juli in Berlin, der so eine überraschende Wende fand.

Am 20. Juli betrat Wallander nach langer Zeit wieder die Geschäftsstelle. Es fühlte sich merkwürdig an. Aber irgendwie war da auch das Gefühl, nie weg gewesen zu sein. Er sah die mächte Treppe in der Eingangshalle mit ihrem Eichenholzgeländer. Langsam ging er die Stufen hinauf. Er stand nun vor seiner Tür. Doch nirgends war sein Türschild. Er erinnerte sich daran einige Spielzeiten nicht im Verein verbracht zu haben, klar, da wird man auch das Schild austauschen. Ihn grüßte eine ältere Dame, die hinter dem Schreibtisch des Vorzimmers saß: "Juten Tach, kann ick ihnen weiterhelfen? Meen Name is Uschi Kruppke. Ick bin hier de Sekretärin." Wallander war etwas verstört. Unter seiner Führung hatten hier nur schöne und junge Frauen gearbeitet. Nun wusste er schon, was eine seiner ersten Amtshandlungen sein würde. "Guten Tag, Frau Kruppke. Mein Name ist Wallander, Kurt Wallander. Ich war hier früher mal Manager, bis ich den Verein aufgrund einiger Verwicklungen verloren habe. Ich habe einen Termin mit Herrn Ricken", erklärte Wallander. Ganz ungeniert antwortete Uschi Kruppke: "Wallander, ick habe sie wiedererkannt. Ihr Bild war in der Zeitung und ick habe schon viel von ihnen jehört, natürlich nur positives." Wallander fühlte sich kurz geschmeichelt, bis sie fortfuhr: "Sie war'n da in der Zeitung ja janz schön zujerichtet. Die waren da bei den Picaldis nicht so zufried'n mit dia, oda?" In Wallanders Kopf spielte jetzt nur noch ein Gedanke eine Rolle: Wie und wann er diese impertinente Person entlassen sollte.

Nun polterten Alfons Ricken, im Trainungsanzug, und Vereinspräsident Dettmero die Treppe hoch. Wallander erkannte den Präsidenten an dessen lautem Lachen. "Da ist ja unser alter und neuer Manager", grölte Dettmero, als er ins Vorzimmer des Manager-Büros kam. Uschi Kruppke entglitten alle Gesichtszüge und die Farbe wich aus ihrem Gesicht. Wallander glaubte in ihren Zügen nun Angst zu entdecken. Angst soll sie haben, denn die ist berechtigt, dachte er bei sich. "Ach, alter Freund, zu lange haben wir uns nicht gesehen. Ich freue mich wieder hier zu sein", rief Wallander mit gespielter Euphorie. Dettmero roch nach billigem Fusel, Wallander kannte diesen Geruch zur Genüge von sich selbst.

Die Vertragsunterzeichnung erfolgte sehr zügig. Sie gingen in das Büro von Präsident Dettmero, sie unterzeichneten seinen Vertrag, der auf drei Spielzeiten befristet war. Wallander gab Alfons Ricken eine Garantie, dass er Spielertrainer des Teams bleiben könne. Sie gingen wieder zurück ins Vorzimmer. Dettmero stellte nun Wallander und Uschi Kruppke einander vor: "Uschi, das hier ist Herr Wallander, er ist dein neuer Chef, Herr Wallander, das ist Uschi Kruppke, unsere Sekretärin." Wallander antwortete mit einem breiten Grinsen: "Ich habe schon mit dieser charmanten Frau Bekanntschaft gemacht." Dettmero und Ricken verschwanden nun ebenso laut, wie sie gekommen waren, im Treppenhaus.

"So, Frau Kruppke, ich habe jetzt einige Aufgaben für sie. Erstens: Besorgen sie mir Angebote für eine Dreizimmer-Wohnung in Neukölln, Schöneberg, Kreuzberg und Wilmersdorf. Zweitens: Besorgen sie einen Einrichtungskatalog von IKEA. Ich komme ja aus Schweden, deshalb möchte ich hier auch etwas Schwedisches reinbringen. Drittens: Besorgen sie mir ein Namensschild für die Tür. Viertens: Geben sie mir Unterlagen über den aktuellen Kader des Vereins, Spielerstärken, Leistungen, einfach alles an Statistik, was sie so finden können. Fünftens: Ich brauchen Visitenkarten. Sechstens: Überlegen sie sich, wie sie dem Verein an anderer Stelle noch helfen könnten, ich würde sie in ihrem Alter ungern in die Arbeitslosigkeit schicken. Siebtens: Erstellen sie Anzeigen für den Stellenmarkt. Eine Sekretärinnenstelle bei uns", diktierte Wallander. Uschi Kruppke notierte sich diese Aufgaben und sagte mit stockender Stimme: "Ich werde alles erledigen." "So, jetzt möchte ich nicht gestört werden", erklärte Wallander und ging in sein Büro.

Als Wallander die Tür hinter sich geschlossen hatte, blieb er erstmal etwas stehen und sah sich um. Das Büro war verfallen. Die schwere Ledercouch sah aber noch unversehrt aus, ebenso das Beistelltischlein aus Kirschholz. Wallander grinste innerlich. Er ging zu den Fenstern und öffnete sie. Er legte sich auf die Couch und genoss die Situation. Seit dem 20. Juli war Wallander wieder Manager der schwarzen Faust.

Wallander hatte sich nun sehr eingearbeitet. Wider Erwarten hatte sich Uschi Kruppke als fähige Mitarbeiterin erwiesen. Er wollte aber dennoch eine weitere Mitarbeiterin einstellen, ein richtig junges Ding, das weder intelligent noch arbeitsam sein sollte - Hauptsache unter 30, willig und hübsch. Das Büro hatte er selbst auf Vordermann gebracht, auf dem Schreibtisch stand nun die Figur des Lion of Judah, ein Symbol, das ihm viel bedeutete. So saß er nun am späten Abend des 22. Juli in seinem neuen Drehstuhl MARKUS von Ikea. Er hatte zig Aktenordner in die neuen BILLY-Regale einsortiert. Uschi Kruppke hatte die Regale ganz alleine aufgebaut, während er mit einem Bier auf der Couch saß und den Wohnungsmarkt durchsah. Die hat ganz schön malocht, dachte sich Wallander. Draußen gewitterte es. Er liebte Gewitter. Sie gaben ihm so eine innere Zufriedenheit. Er hatte auch allen Grund zur Zufriedenheit. Das Team hatte in zwei Spielen den Spitzenplatz geholt. Das war ein guter Start in die Oberliga-Saison. Wallander dachte darüber nach, was nun noch zu tun sei. Ricken und er hatten die Innenverteidigung als Schwäche ausgemacht. Da brauchte die Mannschaft Verstärkung. Eigentlich saß er nun schon lange genug im Büro. Er stand auf und rief sich ein Taxi. Diesen wunderbaren Abend wollte er nicht einfach so ausklingen lassen, es sollte etwas besonderes sein. Den Taxi-Fahrer fragte er nur: "Sie wissen, wie man zum Artemis kommt?" Dieser nickte. Wallander war froh. Sie verstanden sich.

geschrieben von KSD

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