1.469x gelesen 23x abonniert Ausgabe 19/24 06.05.2024 10 Jahre SG Neptun Bremer... Jetzt registrieren

Das Knorke und Dufte (nächste Seite) Verfasst am : 26.07.2014 17:02

Es war mittlerweile schon hellichter Tag, als einer der beiden Punks aufwachte. Durch das Kellerfenster schimmerten nur wenige Strahlen der Sonne hindurch. Das Fenster lag zum Hof hinaus. Es war besser so, für alle Beteiligten und vor allem für die Otto Normal-Bewohner des Hauses. Wer was von den Jungs wollte, ging um das Haus herum und klopfte ans Fenster. Das Kellerloch kostete nur 160€ kalt. Das hatten die Beiden meistens schon zur Monatsmitte zusammen geschnorrt. Für Strom, so wurde es einvernehmlich abgemacht, würden sie keinen Cent an diese Sklaventreiber der Energiekonzerne zahlen. Ein alter, auf Rädern stehender Stromgenerator, den Knorke sich mal auf'm Schrottplatz wieder fit gemacht hatte, stand angekettet am Fahrradständer im Hof des Hauses. Es kam oft vor, besonders zum Wochenende, dass dieser Kasten die ganze Nacht lang durch knatterte und wilder PunkRock aus der untersten Etage zu hören war. Die Bewohner hatten sich anscheinend damit abgefunden oder waren zunehmend schwerhörig geworden, denn die Beschwerden nahmen ab.
Dufte richtete sich auf und pulte einige Zigarettenstummel aus seinem Gesicht. Er hatte mit der Fresse im Aschenbecher übernachtet und an seinem Nietenhalsband war getrocknete Kotze, die eine lange Spur über sein zerrissenes Sex Pistols T-Shirt bis auf den Boden legte. Die ersten Gehversuche am Tage waren mit einem starken Schwindelgefühl und mittelstarken Bauchschmerzen verbunden. Beinahe kotzte er erneut, über den vollgemüllten Tisch. Er konnte sich gerade noch beherrschen und kippte dann wuchtig in eine Ecke des Zimmers. Zwischen Bierdosen und anderem Krams blieb er noch einige Minuten liegen, bevor er überhaupt realisierte, dass niemand ihn gestoßen hatte.
"Und? wie sieht dein Plan aus?", fragte der aus einem Klamottenberg hervor kriechende Knorke mit brummender, noch nicht ganz wacher Stimme. "Zunächst brauchen wir Kohle!." Dufte hatte anscheinend wirklich einen Plan, denn man hörte schon fast, wie sein Gehirn arbeitete. Er griff nach einer Bierdose, die sich vollerweise unter den anderen Büchsen versteckt hatte und trank einen durstigen Schluck aus ihr. Dann sprang er auf, diesesmal etwas koordinierter, schnappte sich einen Karton, der in einem Schrank vergraben war, und ging raus. Da merkte Knorke, wie ernst Dufte den Plan nahm. Seine kleine aber feine Plattensammlung in Bargeld umzusetzen, dazu war er bereit. Knorke beeilte sich, seinen Kumpel einzuholen, um ihn bei der Sache zu unterstützen und das beste daraus zu machen. Er konnte ganz gut nachvollziehen, was die SG Neptun ihm bedeutete. Sie gingen zu jedem Heimspiel ins Stadion, seit Jahren schon. Natürlich nur, wenn sie den Weg dahin noch rechtzeitig schafften oder sie nicht in einer Grünen Minna abgestellt wurden, bis das Spiel zu ende war. Das war besonders "nett" von den uniformierten Männchen. Irgendwo in einer Bullenkarre ohne Klimaanlage mit sechs bis neun besoffenen Vollpfosten. Im Sommer gehst du ein und im Winter frierste. Drei oder mehr Stunden. Aber sie hatten meistens Glück und fanden den Weg zum Tor36. Schon lange kamen die beiden Punks umsonst ins Stadion. Immer durch das Tor mit der Nummer 36. Knorke hatte vor Jahren mal einem Typen, der nachts im Januar bewusstlos am Wegesrand lag, das Leben gerettet. Halb erfroren in Boxershorts und geschminkt wie ein Zirkusclown am Wegesrand. Es stellte sich heraus, dass dieser Typ ein Ordner im Stadion der SG war. Knorke fragte ihn nicht, was er in Unterwäsche in der Nacht getrieben hatte und als Dank durften die Chaoten ins Stadion. Und sie gingen, so oft sie konnten.
Für die Platten erhielt Dufte 250€. Mann merkte ihm den Verlust nicht an. Seine geliebten Platten, auf die er immer ein besonderes Auge geworfen hatte, waren weg. Das schien ihn aber nicht besonders zu stören. Er marschierte in den nächsten Supermarkt seines Vertrauens und kaufte elf Paletten Dosenbier. Auch einige Flaschen Rum landeten im Einkaufswagen. Verwirrt half Knorke die überladenen, laut schäppernden Konsumlastenschiebewagen durch die Straßen, bis zum Kellerloch zu schieben. Als sie ankamen, wartete schon einer dieser Studenten-zum-saufen-gerade-gut-genug-Freunde auf die Beiden. Er wollte genauer wissen, was dieses Gelalle am Telefon gestern zu bedeuten hatte.

geschrieben von Riky

Zurück zur Vereinszeitung
0.00/0