Kürzlich kam ich am späten Abend von einer Freundin nach Hause und wurde im Flur mit einem ohrenbetäubenden Aufschrei begrüßt. Erschrocken sah ich mich um, der Flur war leer, die Wohnzimmertür leicht geöffnet und durch den Spalt flackerte der Schein des Fernsehers. Ich hörte meinen Mann erzürnt fluchen. Ich konnte nicht genau verstehen, worum es ging, aber irgendein Russe muss da an einer Linie was falsch entschieden haben. Ich schlich zum Wohnzimmer und schaute durch den Türspalt. Im Fernsehen natürlich wieder Fußball, aber Schwarz-Weiß? Mein Mann kniete fast vor dem Bildschirm, die Haare wild zerzaust faltete er die schweißnassen Hände vor der Brust. Wieder ein schmerzerfülltes Aufstöhnen und völlig deprimiert sank mein Mann in sich zusammen. Es sah fast so aus, als würden ihm Tränen über die Wange laufen. Auf dem Sender wurde mitgeteilt, dass dies die Aufzeichnung des WM-Finales von 1966 gewesen sei….1966? 44 Jahre ist das her. Das Ergebnis und dessen Zustandekommen waren ihm doch sicherlich schon lange bekannt und trotzdem war er von dem Geschehen so gefesselt; als spielten da nicht Beckenbauer, Overath, Banks und Charlton, sondern Ballack, Schweinsteiger, Barry und Wright-Phillips. Ich lächelte in mich hinein und dachte mir, dass Frauen und Männer doch ähnlich ticken. Und erinnerte mich an die letzten Tränen, die ich vergossen habe, als sich König Aragorn und sein Volk vor Frodo und seinen Gefährten verneigten.