Sherlock- Dämonen der Vergangenheit
Zwischenepisode 3
Der Hund von Waldorf Kastell
Sherlock hatte Mühe den wie ein wütendes Rumpelstilzchen umher hüpfenden John
Watson zu beruhigen.
„John, ich möchte, dass du jetzt ganz ruhig bleibst, egal wie aberwitzig es dir
vorkommt, was ich als nächstes sage. Den Doktor hast du ja schon kennen
gelernt…“
„Wer ist dieser verrückte Kerl, und warum hat er uns in kleine Jungen
verwandelt, und wie geht so was überhaupt?“, platzte John aufgewühlt dazwischen.
„Wir hatten uns doch darauf geeinigt, dass ich jetzt rede.“, mahnte Sherlock.
„Nein, du hast dich darauf geeinigt! Wie üblich!“ John verschränkte beleidigt
die Arme, aber wenigstens hüpfte er nicht mehr wie ein Flummi durch die Gegend.
„Willst du nun wissen warum du und ich kleine Jungen sind, oder nicht?“
„Natürlich will ich das!“
„Dann quatsch nicht dauernd dazwischen!“
Währenddessen auf dem Dach der Waldorfschule.
Jim Moriarty saß in seinem Liegestuhl und beobachtete die Sterne. Er genoss die
Einsamkeit. Immer mehr beengte ihn dieser winzige Planet. Alles war so
überschaubar langweilig, selbst die Natur zu beherrschen war keine
Herausforderung. Aber da draußen bei den Sternen… Was würde er dafür geben nur
einmal in einem Schiff zu sein, das Raum und Zeit überwinden konnte.
Just in diesem Augenblick wurde er gestört.
„Störe ich?“
„Natürlich störst du, Irene, aber das hat dich ja noch nie gestört.“, seufzte
er.
„Ich habe Mycroft mitgebracht.“, erwiderte Irene schüchtern. Jim hob überrascht
den Kopf. „Warum hast du das nicht gleich…? …Hallo Mycroft!“ Etwas Unterwürfiges
lag in Moriartys Stimme. „Hallo Jim.“, antwortete der neunjährige Mycroft kühl.
„Wie ich hörte war hier vor kurzem ein falscher Professor Einstein.“
Moriarty wurde hellhörig. Es kam nicht oft vor, dass der große Mycroft Holmes,
der nebenbei an seinem zweiten Doktortitel arbeitete, sich mit niederen Chargen
aus den unteren Klassenstufen befasste. Was er nicht wusste war, dass Mycroft
seinen kometenhaften Aufstieg schon seit langem im Auge hatte. Er hatte nur auf
die passende Gelegenheit einer Begegnung gewartet.
„Unsere Irene war wohl wieder in Plapperlaune. Warum interessierst du dich
dafür?“
„Weil es ungewöhnlich ist. Was kannst du mir über den Mann sagen?“
„Er trug einen falschen Bart und eine Perücke, und tat so, als wäre er Professor
Einstein. Das ist alles.“
„Was wollte er von euch?“
„Keine Ahnung. Nachdem ich ihn enttarnt habe ist er geflüchtet.“
„Danke.“, sagte Mycroft und verließ ohne ein weiteres Wort die Dachterrasse.
„Was für ein Arsch!“, kommentierte Irene den arroganten Abgang.
„Mycroft war nicht ohne Grund hier. Und obwohl ich ihm kaum etwas gesagt habe,
wirkte er zufrieden als er ging, was bedeutet, dass ich ihm etwas Wichtiges
mitgeteilt habe, aber was? ...“ resümierte Moriarty und starrte erneut zu den
Sternen. Seine inneren Sensoren sagten ihm, dass etwas Großes in Gange war, was
er auf keinen Fall verpassen durfte.
Für Irene Adler gestalteten sich die Dinge derweil etwas anders. Seit sie
Moriarty und Mycroft kannte, verbarg sie ihre Talente. Viel lieber gab sie sich
als vorlaute Göre, die hin und wieder von Nutzen war. Nicht ohne Grund
orientierte sie sich an Moriarty und Holmes, während sie sich nebenbei von
hochrangigen Meistern in diversen asiatischen Kampfsportarten, Philosophie und
Naturwissenschaften ausbilden ließ. Bei Männern konnte man schließlich nie
wissen.
„Der falsche Professor hat sich ausschließlich für uns interessiert, und nicht
für Mycroft. Warum hat er sich nicht für Mycroft interessiert?“, stellte sie
eine durchaus interessante Frage in den Raum. Moriarty warf ihr einen
interessierten Blick zu. „Kann es sein, dass du dich manchmal absichtlich dümmer
stellst als du bist?“
„Und was soll das jetzt wieder?“, erwiderte Irene beleidigt. Moriarty hob sofort
entschuldigend die Arme. „Nein, so habe ich das nicht gemeint. Deine Frage,
warum sich der falsche Professor ausgerechnet für uns interessierte hat mich auf
eine Idee gebracht!“
„Soll das etwa ein Kompliment sein?“
„Hör auf damit Irene! Ich weiß, dass Mycroft dich heimlich in seine Kurse
schmuggelt, und ich weiß auch von deinem Training bei Doktor Miyagi, also spiel
hier nicht die beleidigte Leberwurst!“
„Ich wusste nicht, dass ich jeden meiner Schritte vor dir rechtfertigen muss!“,
zischte Irene.
Mittlerweile hatte die Diskussion das Niveau eines Ehestreits erreicht. Ziel
dabei war es immer, sein Gegenüber irgendwie mundtot zu reden. Im besten Fall
entschuldigte sich der Mann für seine verbalen Vergehen. Manchmal hatte auch Sex
etwas damit zu tun.
Im Fall von Irene und Jim waren die Protagonisten zwar weit von dieser Thematik
entfernt, aber rein inhaltlich hatten sie zumindest das Prinzip begriffen. Am
besten hatte es Loriot mal in einem Satz zusammengefasst. „Irgendwann bring ich sie um.“
Um eine solche Aussage in die Tat umzusetzen war Moriarty allerdings zu
pragmatisch veranlagt. Außerdem dachte er an die Zukunft. Irene würde als
intelligente und attraktive Frau, die sie zweifellos einmal werden würde, von
großem Nutzen für ihn sein. Sich es bereits in der Kindheit mit ihr zu
verscherzen war allenfalls dumm und kurzsichtig.
Jetzt ging es darum eine glaubwürdige Entschuldigung zu formulieren. Allerdings
gehörte Empathie nicht zu seinen Stärken. Er musste sie also füttern. Und was
war da besser, als eine Entschuldigung mit einer knackigen Neuigkeit zu
verbinden. Er musste das Paket nur noch entsprechend schnüren. „Willst du
wissen, warum ich dir hinterher spioniere?“, begann er kleinlaut. Irene zuckte
nicht einmal. Jim hatte das einkalkuliert.
„Ich könnte dich in das Forschungslabor schmuggeln! Da gibt es einige
interessante Experimente…“ Sofort wurde Irene hellhörig. Sobald es Dinge zu
lernen gab, die ihre Neugier anstachelten… „Ich will sofort dahin!“, rief sie,
und ignorierte in ihrer Begeisterung den vorangegangenen Dialog. Moriarty
lächelte. Der Fisch hatte angebissen. „Hast du je die Geschichte vom Hund von
Waldorf Kastell gehört?“, lockte Moriarty weiter, obwohl das gar nicht mehr
nötig war. Irene war wieder ganz in seinem Bann gefangen. „Ich dachte immer, er
wäre eine Legende?“
„Falsch gedacht! Mutig genug ihn zu sehen?“ Ein schauriges Gefühl befiel Irene
am ganzen Körper.
„Unbedingt!“
Wenig später im Wald
Die kindliche Ausgabe von Doktor John Watson saß meditierend auf einem Baumstamm
und schwieg. Und das seit einer geschlagenen Stunde. Sherlock trieb keine Eile.
Er ahnte zumindest was in seinem Freund vor sich ging, und übte sich in Geduld.
Plötzlich schlug John Watson die Augen auf. Sherlock wich erschrocken zurück.
„Hast du das auch gehört?“
„Was gehört?“
„Dieses AUUUHUAHUUUUU?“
„Wie bitte?“, erkundigte sich Sherlock besorgt.
„Das Jaulen! Es klang wie ein großer Hund! …Ich hasse meine Kinderstimme!“
AUHUUUUUHUUUUU
Endlich hörte es auch Kind Sherlock.
„Erinnerst du sich an den Hund von Baskerville?“ John warf ihm einen
verständnislosen Blick zu. „Wie könnte ich das vergessen! Wir wären damals fast
draufgegangen!“
„Dann wollen wir mal hoffen, dass dieser Hund nicht klettern kann. AUF DIE
BÄUME!“
Instinktiv folgte John dem Befehl. Die Angst des Kindes verlieh ihm Flügel. Mit
zitternden Gliedmaßen kämpfte er sich bis fast in die Baumkrone. Von unten
erklang ein gefährliches Knurren. Aber hier war er sicher. Kein Hund der Welt
konnte auf Bäume klettern. Zeit für kindlichen Übermut.
„Hör auf das Vieh mit Tannenzapfen zu bewerfen, John! Du machst ihn nur
wütend!“
„Wieso? Ist doch nur ein Hund, und außerdem macht das gerade einen Heidenspaß!“,
kicherte John und betrommelte den knurrenden Köter weiter mit Tannenzapfen,
wobei er abwechselnd „Nimm dies!“ und „Nimm das!“ rief. Plötzlich geriet der
Baum ins Schwanken. John hatte Mühe sich festzuhalten. „Scheiße, was war das
denn?“
„Ich hatte dir gesagt, du sollst das lassen.“, sagte Sherlock mit einer Stimme
die eine schreckliche Erkenntnis verheimlichte.
„Wieso, was ist denn?“, erkundigte sich John ängstlich, während die Vibrationen
unter ihm bedrohlich zunahmen. „Wenn du nicht in Kürze die Geschicke eines
Eichhörnchens erlernst, fürchte ich um dein Leben.“
Und dann war es auch schon so weit. Erst jetzt wurde sich John darüber gewahr
wie groß der Hund wirklich war, was vor allem daran lag, dass er sich an den
Schnürsenkel seines linken Schuhs festgebissen hatte. Sherlock beobachtete den
Todeskampf seines alten Freundes ohnmächtig. Es war nur noch eine Frage der
Zeit, bis der übergroße Hund, der an einen Warg aus „Herr der Ringe“ erinnerte,
seinen besten Freund mit Haut und Haar verschlang. Johns panische Schreie
hallten durch den ganzen Wald und mitten durch Sherlocks Herz. War es das, was
dieser kauzige Doktor für ihn geplant hatte?
Das Tier hing mittlerweile an Johns Hose fest, und zottelte mit übermenschlicher
Kraft daran herum. Allmählich verließen ihn die Kräfte. „Halte durch John!“,
rief Sherlock vom Nachbarbaum verzweifelt. John Watson schloss die Augen. „Du
warst der beste Freund den ich je hatte.“ Dann ließ er los. Sherlock sah ihm
erstarrt hinterher. „Nein“, sagte er erst leise, bis sein ohrenbetäubender
Schrei den Hund auch auf seinen Baum lockte. Es war ihm egal.
ff
zum Artikel
Verfasst am : 09.05.2018 23:03
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Sherlock- Im Reich der unmöglichen Möglichkeiten
Zwischenepisode 2
Tückische Vergangenheit
Die TARDIS landete. Draußen herrschte finstere Nacht. Bevor Sherlock seinen
Drang ausleben durfte, sofort nach der kindlichen Ausgabe seines Erzfeindes zu
suchen, gab es erst einmal eine Belehrung.
„Sie sollten eines wissen, Sherlock. So bald Sie dieses Schiff verlassen,
befinden Sie sich im Körper Ihres kindlichen Ichs.“
„Sie haben wirklich an alles gedacht! Werden Sie mich begleiten?“ Der Doktor
schüttelte den Kopf. „Sie haben Ihren Fall, ich habe meinen. Eine Idee, wann ich
Sie wieder abholen soll?“
„Wenn Sie mir verraten wo und wann genau ich hier gelandet bin, kann ich den
Zeitfaktor vielleicht eingrenzen.“
„Sie sind sieben Jahre alt und befinden sich auf dem Gelände einer Schule für
hochbegabte Kinder. Mitten im Wald, gut abgeschottet, sehr idyllisch. Moriarty
ist in ihrem Alter und besucht bereits die siebte Klasse, obwohl auch diese ihn
intellektuell unterfordert. Ich habe Ihr Äußeres deswegen verändert, damit
Moriarty Sie nicht als erwachsene Person in seinem Gedächtnis speichert. Und
noch was. Irene Adler ist ebenfalls an dieser Schule und in ihrem Alter.
Allerdings ist sie erst in der fünften Klasse.“ Der Doktor machte eine kurze
Pause, als er Sherlocks schockiertes Gesicht sah. „Oh, Sie wussten es nicht.
Genügt Ihnen eine Woche?“
„Geben Sie mir dreißig Minuten.“, erwiderte Sherlock entschlossen. Jetzt war es
der Doktor der einigermaßen schockiert wirkte. „Ihnen ist schon klar, dass die
Kinder schlafen, oder? Und nur für den Fall, dass Sie planen Moriarty und Irene
die TARDIS zu zeigen, vergessen Sie es!“ Sherlock wirkte enttäuscht. „Warum
eigentlich? Eine Reise mit uns dreien als Kinder, und wir würden vermutlich ganz
andere Menschen werden! Ich sehe darin keinen Widerspruch.“
„Das ist nicht zielführend!“, widersprach der Doktor sofort und fügte streng
hinzu. „Nach Verwerfung Ihres Planes! Wann soll ich Sie hier wieder abholen!“
„Warum sind Sie so dagegen? Wir könnten hier und heute Geschichte schreiben!“
Der Doktor wurde allmählich wütend. „Ich habe schon viel zu oft an Geschichten
mitgeschrieben, und glauben Sie mir, ich habe mir dabei mehr als nur einmal die
Finger verbrannt. Und was ihre Geschichte im speziellen betrifft. Sie ist es
nicht mal im Ansatz wert, denn sie würde alles nur verschlimmern wenn ich Ihrem
törichtem Wunsch nachgeben würde.“, entgegnete der Doktor finster. Sherlock ließ
die Worte auf sich wirken.
„Dann eben die lange Tour. Drei Tage. Ich werde pünktlich sein.“
Der Doktor bedachte Sherlock mit einem skeptischen Blick. „Drei Tage. Und wehe
Sie bringen die Kinder mit!“
„Einverstanden.“, knurrte Sherlock.
„Sehr schön! …Viel Erfolg, Sherlock.“, erwiderte der Doktor mit einem
hintergründigen Grinsen.
Wenige Sekunden später verschwand er mit der TARDIS in den Weiten von Raum und
Zeit. Außerdem hatte er gelogen. Sherlock befand sich gar nicht in seinem
kindlichen Körper. Aber warum hatte er das getan? Und was, wenn er sein
Versprechen nicht einlöste, weil er vielleicht schon in der Zukunft war, und
damit Sherlocks Plan voraussah? Es war zum Verrücktwerden! Dieser hinterhältige
Kerl hatte wirklich an alles gedacht.
Es galt also zu improvisieren. Zum Glück war Sherlock nicht ganz unvorbereitet.
In seinen Taschen fand er eine alte Perücke und einen lustigen Bart. Nach seiner
Kostümierung sah er Albert Einstein verblüffend ähnlich. Dumm nur, dass der
echte Albert Einstein augenblicklich als Gastdozent an der Schule arbeitete.
Wenige Stunden später auf dem Schulhof.
Es war kein gewöhnlicher Schulhof. Es gab auch keine üblichen Spielplätze. Der
Wald war der Spielplatz, und die Kinder tummelten sich in ihm wie fleißige
Ameisen. Aus Sträuchern und Gräsern bastelten sie Seile, Holzreste wurden
verbraucht um alle möglichen Formen von Hütten zu bauen, Ideenfabriken wurden
genutzt um Pläne für eine Waldstadt zu entwickeln, Werkstätten wurden gebaut… Es
war eine Freude den Kindern zuzusehen, wie sie in gemeinsamer Arbeit Probleme
lösten. Und es wurde fast jeder gebraucht. Aber wie in jeder heilen Welt gab es
auch jene die abseits standen. Teils gewollt, teils ungewollt.
Was die junge Irene Adler und Jim Moriarty betraf, so herrschte keinerlei
Zweifel darüber, dass ihre Abwesenheit absolut gewollt war. Wie Waldorf und
Statler saßen sie auf einer von den Ameisen geschnitzten Holzbank und
kommentierten traditionell das Geschehen.
„Sieh dir an wie sie grinsen. Es ist fast so als freuten sie sich auf ihre
künftige Versklavung!“
„Manche von ihnen werden vermutlich mal sehr nützlich für uns werden.“
Moriarty lachte. „Ich freue mich schon auf die neue Welle der politisch
korrekten Pädagogen, die in Ghettos um ihr Leben bangen.“
„Nützliche Idioten!“
„Du sagst es Irene. Ich halte es da mit Mycroft Holmes aus der neunten Klasse.
Wenn er nicht so beschränkt obrigkeitstreu wäre, hätten wir in ihm einen
nützlichen Verbündeten.“ Irene warf ihm einen schmachtenden Blick zu. „Wenn das
jemand hinbekommt, dann du, Jim.“ Jim erwiderte den Blick mit ernstem Bedauern.
„Verlass dich nicht zu sehr auf deine biologischen Vorteile den Männern den Kopf
zu verdrehen. Spätestens in vierzig Jahren verpuffen diese Reize im Nichts.“
„Frauen werden aber statistisch älter, also gewinnen wir letztendlich!“,
erwiderte Irene schnippisch.
„Treib es nicht zu weit, Irene Adler! Es gibt einen guten Grund dafür, dass du
zwei Klassenstufen unter mir bist, während ich gerade in der Siebten
versauere!“
Ein aufdringlicher Erwachsener setzte sich zwischen die Kinder. „Nanana, wer
wird denn so streiten? Vielleicht kann ich helfen. Worum geht es denn?“
„Das geht Sie… Professor Einstein?“
Der Professor nickte freundlich. „Ganz recht, mein Junge, und übrigens. Ich
konnte als Kind auch nichts mit organisierten Menschenmassen anfangen.“
„Sie haben uns zugehört?“, fragte Irene ängstlich. Der Professor lachte. „Das
musste ich gar nicht. Ich habe mich selbst als Kind in euch wieder erkannt. Und
das war eine höchst erfreuliche Begegnung. Ich danke euch dafür.“
„Gern geschehen.“, entgegnete Jim Moriarty kühl. Seit er denken konnte
misstraute er Erwachsenen. Besonders dann wenn sie übertrieben freundlich und
verständnisvoll daherkamen. Da machte selbst der berühmte Professor keine
Ausnahme. „Was halten Sie eigentlich von Nikola Tesla?“, stellte er ihn auf die
Probe. Der Professor verzog ernst das Gesicht. „Ich nehme an, du bist mit seinen
Forschungen vertraut?“
„Ich will nur wissen, ob Sie es auch sind.“, antwortete Moriarty misstrauisch.
„Natürlich!“, behauptete der Professor sofort, und fügte leise hinzu.
„Allerdings werden diese Forschungen wohl noch für lange Zeit vor dem Rest der
Menschheit verborgen gehalten.“
„Sie sind ein Feigling, Professor.“
„Aber wie kommst du denn jetzt darauf, mein Junge?“
„Außerdem sind Sie ein Lügner.“
„Ich fürchte, ich verstehe nicht…“
„Wer auch immer Sie sind, Sie sind eine Schande für jeden intelligenten
Erwachsenen, wobei das genau genommen keine Schande ist. Es ist eher modern.
Aber uns mit einer billigen Perücke und einem falschen Bart einreden zu wollen,
Sie wären Professor Einstein, zeugt schon von einer sehr gestörten
Eigenwahrnehmung. Als Weihnachtsmann wären Sie glaubwürdiger gewesen. Bleibt die
Frage: Wer sind Sie, und warum interessieren Sie sich für uns? Zu Ihrem Schutz
möchte ich anmerken, dass ich Sie keineswegs für einen Perversen halte, aber um
Ihnen meine Entschlossenheit zu signalisieren möchte ich bemerken, dass ich es
behaupten könnte. Und unsere reizende Irene wird das jederzeit bestätigen. Ist
es nicht so, Irene?“
„Für mich ist es eindeutig ein Perverser!“, behauptete Irene fest und traf den
enttarnten Sherlock mitten ins Mark. Nur mühsam konnte er sich zurückhalten laut
zu schreien. Letztendlich gab es nur einen Weg.
Flucht.
Drei Tage später am vereinbarten Treffpunkt.
Die TARDIS erschien tatsächlich pünktlich. In Sherlock hatte sich seit der
Flucht vom Schulhof einiges an Wut angestaut. Unter anderem deswegen, weil der
Doktor gelogen hatte, und ihn nicht wie vereinbart als kindliche Ausgabe seiner
Selbst an diesem Ort abgeladen hatte. Entsprechend wütend empfing er den Doktor.
„Sie haben mich angelogen!“
„Na und? Sie mich doch auch!“
„Wann bitteschön habe ich gelogen!“, schnaufte Sherlock wütend.
„In dem Moment, als Sie beschlossen haben den Kindern die TARDIS zu zeigen.“,
erwiderte der Doktor fröhlich. Sherlocks Wut verpuffte. „Sie wussten, dass ich
scheitern würde.“, flüsterte er.
„Aber natürlich, Sherlock, und Sie wussten es auch! Deswegen werden Sie in
Versuch Nummer zwei tatsächlich als die jüngere Ausgabe von sich selbst auf dem
Schulhof auftauchen, nur diesmal mit dem Wissen, dass auch Ihr Bruder dort ist.
Ich sagte doch. Sie haben alle Zeit der Welt.“
„Und täglich grüßt das Murmeltier.“, grummelte Sherlock.
„Einstein sagte sinngemäß: Fehler zu wiederholen um ein besseres Ergebnis zu
erwarten ist Schwachsinn.“
„Verschonen Sie mich mit Einstein!“
Der Doktor grinste.
„Wie viel Zeit brauchen Sie diesmal?“
Sherlock überlegte. Jetzt wo er Moriarty und Irene als Kinder kannte, hatte sich
einiges geändert, unter anderem sein Weltbild über Irene. „Ich erhöhe den
Einsatz meiner Lebenszeit auf einen Monat.“, verkündete er entschlossen. „Und
Sie glauben, dass ein Monat ausreichen wird um sieben Jahre Moriarty zu
beeinflussen, ohne dass er die TARDIS sieht?“, merkte der Doktor skeptisch
an.
„Sie misstrauen dem größten Detektiv des Multiversums noch immer?“
Der Doktor lächelte. „Haben Sie eine Minute Zeit?“
Noch ehe Sherlock antworten konnte verschwand der Doktor mit der TARDIS und
kehrte exakt eine Minute später wieder zurück. An seiner Hand hielt er ein Kind,
das ängstlich seine Umgebung beäugte. „John? Ich bin es, Sherlock!“, platzte es
aus Sherlock heraus.
„Sherlock?“, rief das Kind ängstlich und wunderte sich kurz darauf. „Warum
klinge ich wie ein kleiner Junge, und warum siehst du wie einer aus?“
Sherlock jubelte innerlich, und warf dem Doktor einen dankbaren Blick zu. Kurz
darauf verschwand die TARDIS. Die Kinder waren allein im Wald. Sofort ging das
Gezeter los.
„Also Sherlock, ich habe keine Ahnung was hier gerade läuft, aber du brauchst
wirklich verdammt gute Argumente um mir ZU ERKLÄREN WARUM ICH ALS KLEINER JUNGE
MIT DIR MITTEN IM WALD FESTSITZE!!!“
…
Fortsetzung folgt
zum Artikel
Verfasst am : 06.05.2018 21:30
Kommentare: 4
Sherlock trifft Dr. Who
Zwischenepisode 1
(geklaut aus dem Youtube Video eines Geschichtengourmets. „WHOLOCK- Sherlock
meets the Doctor")
Inzwischen war auch Lestrade eingeschlafen. Sherlock blickte nach den Sternen
und versuchte erfolglos seinen Geist zu zügeln. Was würde er dafür geben die
Geheimnisse des Universums zu enträtseln. Stattdessen saß er hier auf einem Berg
und hörte seinen Freunden beim Schnarchen zu. Ein Lächeln huschte ihm übers
Gesicht. Es war ein -Ich hätte es auch wesentlich schlimmer treffen können-
Lächeln. Langsam begannen sich seine Augenlider zu schließen.
…
..
.
Ein intervallartig penetrant auftretendes Geräusch bohrte sich in seine Ohren.
Vor seinen sich langsam wieder öffnenden Augen materialisierte sich eine blaue
Telefonzelle aus den 50-er Jahren. Das nervtötende Geräusch verschwand. Die
Zelle blieb. Das flackernde Licht aus den Fenstern deutete darauf hin, dass
zumindest jemand telefonierte.
Alle anderen schnarchten genüsslich weiter.
Zeit der Sache auf den Grund zu gehen. Telefonzellen tauchten nicht zufällig,
und einfach so in den schottischen Highlands auf. Es musste eine plausible
Erklärung für dieses höchst unerklärliche Phänomen geben.
Die Zellentür öffnete sich. Sie hatte Sherlocks ungeteilte Aufmerksamkeit. Ein
Mann trat hervor. Er hatte was von Pinocchio. Fast war es, als würde Sherlock in
ihm die freundliche Variante seines Spiegels sehen. „Hi Sherlock!“, begrüßte ihn
der Mann mit einem Grinsen.
„Wer sind Sie?“
„Ich bin der Doktor! Und es ist mir eine Ehre den berühmtesten Detektiv des
Multiversums endlich mal persönlich kennen zu lernen!“ Kaum ausgesprochen
streckte er Sherlock seine schmale Hand entgegen. In seinen Augen leuchtete das
Feuer eines kleinen Jungen, der zum ersten Mal seinem heimlichen Held begegnete.
Sherlock erwiderte den Gruß verhalten. „Der Doktor?“
„Einfach nur der Doktor!“, entgegnete der Doktor mit einem entwaffnenden
Strahlen im Gesicht.
„Und was ist das da?“ Sherlock deutete mit seinem langen Zeigefinger auf die
Telefonzelle. Der Doktor war begeistert. „Ich wusste, dass Ihnen die TARDIS
sofort auffällt. Wollen Sie sie sehen?“
Sherlock wirkte noch immer überfordert. „Was ist eine TARDIS?“
„Kommen Sie nur! Es wird Sie begeistern!“, rief der Doktor voller Enthusiasmus.
Sherlock hatte Mühe der Versuchung zu widerstehen. Dieser hibbelige Doktor
faszinierte ihn. Er lockte ihn wie einst die alte Hexe geradewegs in das
Pfefferkuchenhaus. Und genau diesen Effekt hatte die TARDIS auch. „Sie ist von
innen viel größer als von außen!“, staunte er.
„Nun ja, das sagen alle.“ Ein Hauch Enttäuschung lag in der Stimme des Doktors.
Vom größten Detektiv des Multiversums hatte er etwas mehr Deduktionsvermögen
erwartet. Und es kam. Wenn auch etwas verspätet, dafür aber mit umso mehr
Enthusiasmus vorgetragen.
„Das ist eine Art Raum- und Zeitschiff. Es krümmt den Raum und überbrückt die
Zeit mit einer Energie, die es aus schwarzen Löchern gewinnt, was Sie zu einem
sehr mächtigen Wesen macht, denn Sie besitzen die Kontrolle darüber. Leider
haben Sie vor kurzem einen sehr tragischen Verlust erlitten, da Ihnen scheinbar
im gesamten Multiversum die Gesprächspartner ausgehen, die Ihnen intellektuell
und geistig gewachsen sind. In dem Fall ist es mir eine Ehre Sie kennen zu
lernen! Liege ich in etwa richtig?“
Der Doktor hatte begeistert zugehört. „Fast richtig!“
Sherlock wirkte irritiert. „An welcher Stelle lag ich falsch?“
Der Doktor zögerte. „Nun ja, ich bin nicht wegen Ihnen hier, auch wenn ich mir
keinen besseren Partner an meiner Seite vorstellen könnte.“ Allein die Neugier
hinderte Sherlock daran beleidigt zu sein. „Ist es anmaßend zu fragen warum Sie
dann hier sind?“
„Wegen der Daleks. Sie planen mal wieder eine Invasion auf die Erde. Noch kann
ich sie für die nächsten zweihundert Jahre auf dem Mond in Schach halten, aber
danach brauchen wir hier dringend Hilfe. Ich aktiviere daher heute das
entsprechende Notsignal. Danach werden die Daleks für die nächsten tausend Jahre
keine Lust mehr haben, sich auch nur in die Nähe der Erde zu trauen.“
„Ich will unbedingt Teil der Expedition sein!“, hörte sich Sherlock begeistert
selbst rufen. Zum ersten Mal seit ihrer Begegnung wirkten die Augen des Doktors
traurig. „Ich kann bei dieser Mission nicht garantieren, dass ich Sie hier
zeitgemäß und unversehrt wieder abliefern werde. Und ohne Sie hat Moriarty
bereits gewonnen, was wiederum eine Zeitschleife… Ich schwatze zu viel. Es war
ein Fehler Sie kennen lernen zu wollen! Verlassen Sie mein Schiff!“
Sherlock wandte ihm ohne Widerspruch den Rücken zu und ging langsam in Richtung
Ausgang. Kurz vor der Tür drehte er sich noch einmal um. Ein zufriedenes Lächeln
lag in seinem Gesicht. „Das gesamte Multiversum liegt Ihnen zu Füssen. Ich kann
nur erahnen wie alt Sie sind, aber augenblicklich kommen Sie mir wie ein
ängstlicher Teenager vor. Mich erst anlocken und dann zur Tür weisen? Das muss
selbst für jemanden wie Sie mehr als erbärmlich…“
„Hören Sie schon auf, Sherlock!“, wütete der Doktor, während er nebenbei
hektisch die Konsolen bediente. Es war das erste Mal, dass Sherlock seinen
Gastgeber wütend sah. Und dennoch traf es ihn erneut wie einen Spiegel. Er
musste sich nicht mal Mühe geben die Aktivitäten des Doktors zu verstehen.
Vielmehr war er froh sich immer noch an Bord der TARDIS zu befinden.
„Dann darf ich also bleiben?“, fragte Sherlock vorsichtig nach.
„Eine Mission, Sherlock, und danach bringe ich Sie wieder hier her. Selbe
Stelle, selbe Welle! Nur eine Bedingung. Die Mission darf nichts mit meiner
Mission zu tun haben.“
„Wie viel Zeit habe ich zur Verfügung?“
„So viel sie wollen.“
Sherlock grinste verwegen. „Also gut! Dann will ich in Moriartys Kindheit!“
Der Doktor grinste ebenfalls.
Das Grinsen sollte beiden bald vergehen.
…
zum Artikel
Verfasst am : 03.05.2018 22:18
Kommentare: 3
Sherlock- in tiefer Verneigung 6
Aus unterschiedlichen Gründen trafen sich unterschiedliche Blicke in der
schottischen Gefängniszelle. Und all das nur aus einem Grund. Sherlock hatte die
Frau erwähnt, und obwohl er es nie offen zugegeben hatte, wussten es alle im
Raum. Sollten jemals romantische Gefühle in Sherlocks Lebenswelt eine Rolle
gespielt haben, so fokussierten sie sich allein auf Irene Adler. Dumm nur, dass
die Frau seit zwei Jahren tot war.
„Sherlock!...“, versuchte es John Watson als Erster, wobei er ihm sanft an die
Schulter griff. „Irene ist tot.“
„Ihr alle haltet mich für einen Idioten!“, wehrte Sherlock sofort ab.
„Sherlock, du weißt ich bin selten mit Doktor Watson einer Meinung, aber in
diesem Fall hat er absolut recht. Akzeptiere das endlich!“, versuchte Mycroft
seinen Bruder zu maßregeln. (neudeutsch: maasregeln- aktuell:
außenmaasregeln)
„Was seid ihr doch für kleine Geister! Ihre Leiche wurde niemals gefunden.“,
erwiderte er voller Hohn.
„Ich mache mir allmählich Sorgen.“, flüsterte Lestrade dem Doktor zu.
„Ich kann Sie übrigens hören, Greg!“, schnauzte Holmes.
Zeit, die Taktik zu ändern, dachte sich der ältere Bruder. „Nun gut, nehmen wir
einmal an Irene Adler ist wider besseren Wissens noch am Leben. Wie soll uns das
helfen?“
„Sie ist mir noch einen Gefallen schuldig!“, erklärte Sherlock ohne dabei auch
nur den Hauch eines Zweifels erkennen zu lassen. Mycroft wandte sich
kopfschüttelnd ab. „Es hat keinen Sinn. Wir müssen unseren Fluchtplan ohne
meinen Bruder ausarbeiten. Offensichtlich hat er jetzt gänzlich den Verstand
verloren!“ Sherlock schwieg zu dem Vorwurf. Stattdessen lehnte er sich an das
vergitterte Fenster und starrte in den Himmel. Und während Lestrade und Mycroft
bereits eifrig am diskutieren waren, begab sich John Watson in Sherlocks Nähe.
„Haben Sie etwas dagegen?“, fragte er vorsichtig. „Sind wir jetzt wieder beim
Sie?“, antwortete Sherlock lachend, und wischte schnell eine Träne aus seinem
linken Auge. John tat so, als hätte er sie nicht bemerkt und blickte zu Boden.
Dann hob er den Kopf und sah Sherlock ernst in die Augen. „Ich war mir bis eben
nicht sicher, Sherlock.“
„Du kannst dir bei mir immer sicher sein, John. Irene lebt, und selbst wenn
nicht, dann zumindest der Teil von ihr, den sie in mir zurückgelassen hat.“
„Und wie hilft uns das im Augenblick weiter?“ Sherlock warf ihm einen erstaunten
Blick zu. „Ich bewundere deinen Pragmatismus, John! …Natürlich! Wir brauchen
eine Frau!“ Kaum ausgesprochen, platzte er in die Fluchtdebatte rein.
„Wer ist eigentlich der Chef dieser Polizeistation?“
„Das ist Duncan Mc Loud, ein ausgesprochener Englandhasser, warum willst du das
wissen?“, fragte Mycroft irritiert.
„Der heißt wirklich wie der Highlander?“, plapperte Lestrade ungefragt
dazwischen.
„Sie haben die Filme auch gesehen?“, mischte sich John Watson begeistert ein.
„Natürlich! Christopher Lambert war legendär in der Rolle!“, schwärmte Lestrade,
während die Holmes Brüder bereits mit den Augen rollten. Ein wahrlich seltener
Augenblick von Einigkeit.
„Der Mann hieß übrigens Connor. Duncan war nur sein unsäglicher Verwandter in
einer durch und durch löchrigen Nachfolgeserie, inklusive eines mehr als
dämlichen Kinofilms.“, gab Sherlock den Klugscheißer. Mycroft fasste sich
verzweifelt an die Stirn. „Du meine Güte, ich bin in einer Zelle mit Nerds
eingesperrt, die kurz vor der Midlife Crises stehen!“
„Halt die Klappe Mycroft!“, sagte Sherlock und holte ein historisch kaum noch
bekanntes Relikt der Vergangenheit aus seiner Tasche.
Ein Tastenhandy.
Entsprechend befremdlich wurde es beäugt.
Dann hob es Sherlock theatralisch in die Höhe und verkündete: „Das ist Irenes
Telefon, und jetzt ratet mal, wen sie da unter anderem in einer mehr als
prekären Situation gefilmt hat?“
„Duncan Mc Loud!“, antwortete Lestrade wie aus der Pistole geschossen. Sherlock
warf ihm einen anerkennenden Blick zu. „Wer hätte gedacht, dass aus Ihnen mal
ein richtiger Polizist wird.“
„Danke“, erwiderte Lestrade bescheiden, während Mycroft kaum noch in der Lage
war seine Wut zu unterdrücken. „Warum kommst du uns erst jetzt damit! Moriarty
ist kein Idiot, er wird wissen, dass du Irenes Handy hast.“
Sherlocks Gedanken waren völlig klar als er sagte: „Natürlich Bruder. Genau so
wie er weiß, dass wir hier gerade gemeinsam in einer Zelle hocken. Es ist ein
Spiel und wir müssen jetzt das nächste Level erreichen, während er nebenbei an
einer neuen Weltordnung arbeitet. Wir haben momentan nur seine bedingte
Aufmerksamkeit, glaub mir. Und das ist unser Vorteil!“
Dann rief er Duncan Mc Loud an.
Kurze Zeit später.
Duncan Mc Loud erinnerte weder an den Highlander noch an dessen Adaption im
Serienformat. Als er die Zelle betrat erinnerte er mehr an einen Mann der gutes
Essen und Bier im Haus bevorzugte. Und bis vor wenigen Jahren hatte auch noch
eine Frau dieses Leben geteilt. Böse Münder behaupteten, sie wäre aus blankem
Frust gestorben. Die wenigen Bekannten erzählten, sie hätte alle Highlander
Filme, inklusive der Serie auf DVD gesammelt.
„Was wollen Sie?“ Die Frage des Mannes mit der schwitzenden Glatze und dem
fetten Bauch deutete auf Eile hin. Noch war er nicht darauf vorbereitet was die
Holmes Brüder innerhalb kürzester Zeit an verbaler Infanterie auf ihn
einprasseln lassen würden.
„Mein Name ist Chefinspektor Lestrade von Scotland Yard, und ich verlange von
Ihnen, dass Sie uns unverzüglich freilassen!“, lautete der erste Streich, von
dem auszugehen war, dass er ins Leere verpuffen würde.
„Sie haben mich vom Handy einer Toten aus angerufen. Allein das ist ein Grund
sie für weitere hundert Tage in diese Zelle zu verfrachten! Haben Sie wirklich
nicht mehr zu bieten?“, entgegnete der vermeintliche Highlander gelangweilt.
„Diese Tote hat Videos gemacht, Duncan, Videos die Ihnen, aber vor allem Ihrer
Karriere schaden könnten. Selbstverständlich sind die Kopien bereits an sicheren
Orten geparkt, die nur darauf warten geöffnet zu werden, wenn Sie nicht unseren
Anweisungen folgen.“, mischte sich John Watson in die Diskussion ein. Eine
flüchtige Pause entstand. Eine Pause in der Duncan Mc Loud den Doktor genauer
unter die Lupe nahm. Je intensiver sich ihre Blicke kreuzten desto mehr machte
sich Erkennen breit. Es war ein gegenseitiges Erkennen. Ein Erkennen, das dem
Doktor sofort klar machte, wie fehl am Platz er hier gerade war.
„Sagt ausgerechnet der Mann, der mindestens zwanzig Operationen in Afghanistan
versaute weil er zu sehr unter Drogen stand! …Mein Bruder war EINER von
IHNEN!“
Purer Hass stand in den Augen des Mannes, der den Schlüssel der Gefängniszelle
in den Händen hielt. Die Situation drohte außer Kontrolle zu geraten. Alle Pläne
waren verworfen. Jetzt ging es nur noch darum John Watson aus der Schusslinie zu
bringen. „Ehe sich Ihre sicherlich berechtigte Kritik vollends an meinem Freund
John entlädt, sollten Sie wissen, dass all seine Argumente der Wahrheit
entsprechen. Oder um es kurz zu sagen. Wir haben Sie am Arsch!“, sprang Sherlock
sofort ein. Die Aufmerksamkeit des Highlanders schwenkte um. Als er dann noch
die kompromittierenden Bilder auf dem Handy von Irene Adler sah knickte er
endgültig ein.
Drei Tage später in den schottischen Highlands, bei bestem schottischen Wetter.
Leichter Niesel, ein wenig kühl. Seichter Wind. John Watson und Mycroft Holmes
waren bereits eingeschlafen. Lediglich Lestrade schaffte es noch mit dem schier
nimmermüden Geist von Sherlock mitzuhalten.
„Das war so witzig, wie Sie den Highlander zurechtgewiesen haben!“
„Lestrade, halten Sie die Klappe!“, wies Sherlock ihn zurecht.
„Über Sie sollte unbedingt jemand ein Buch schreiben!“, schwärmte Lestrade
weiter.
„Fiktionale Realität gibt es seit Menschen, Menschen sind!“
„Dann sind wir alle also nur Teil einer Geschichte?“
„Was denn sonst?“
„Macht Ihnen das nicht manchmal Angst?“
Sherlock grinste.
„Niemals!“
Ende?
TEIL 1
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Verfasst am : 01.05.2018 21:20
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Sherlock- in tiefer Verneigung 5
Noch bevor die ersten Überwachungsdrohnen den Tatort Bakerstreet infiltrieren
konnten, erreichte John Watson mit Chefinspektor Lestrade das Versteck, in dem
Sherlock bereits nervös ihrer Ankunft harrte. Entsprechend ungeduldig empfing er
sie auch. „Wurde ja auch Zeit!“ John Watson warf ihm einen finsteren Blick zu,
der jedoch sofort an Bedeutung verlor.
„Gott sei Dank, Sie leben!“, überfiel ihn Gregory Lestrade überschwänglich, und
schloss Sherlock in seine Arme wie einen überdimensionierten Teddybär. „Ich
hatte schon gedacht, diesmal hätte es Sie wirklich erwischt, aber als ich dann
John sah…! Ich bin so froh, dass Sie beide noch am Leben sind!“
„Sie können mich jetzt übrigens wieder loslassen, Geor, ...äh, alter Freund!“,
entgegnete Sherlock mit sichtlichem Unbehagen.
„Greg!“, souflierte Watson unauffällig.
Zum Glück war Chefinspektor Lestrade ebenso emotional wie auch professionell.
„Haben Sie schon eine Idee, wer Ihnen das angetan hat?“
Sherlock jubelte innerlich. Immerhin standen er und John noch nicht auf der
offiziellen Fahndungsliste. Vermutlich hatte er das seinem Bruder Mycroft zu
verdanken. Jeden Moment rechnete er mit einem Anruf. „Ihr Telefon klingelt.“,
sagte er in nüchternen Tonfall zu Lestrade, der zwei Sekunden später
registrierte, dass er noch weitere drei Sekunden warten musste, ehe dieses
Ereignis auch eintraf.
Es war Mycroft Holmes.
„Geben Sie mir Sherlock!“
Lestrade reichte schweigend das Telefon weiter, und gesellte sich zu John
Watson. „Was stimmt mit ihm nicht?“, flüsterte er unauffällig in seine Richtung.
John Watson zuckte mit den Schultern. „Sie wissen doch wie er ist. Nimmt sich
wichtig, die Welt ist in Gefahr, nur er kann sie retten, …das Übliche eben.“
Lestrade atmete erleichtert auf. „Und ich dachte schon, es hätte was mit der
Skripalgeschichte zu tun.“ Am liebsten hätte John sofort geantwortet: Natürlich
hat es was mit der Skripalaffaire zu tun! Gleichzeitig registrierte er Sherlocks
besorgte Miene während er mit seinem Bruder telefonierte. „Gut möglich, dass er
gleich Ihr Handy auf die Straße wirft.“, versuchte John den Inspektor auf ein
Ereignis hinzuweisen, welches er schon hinter sich hatte. Noch bevor Lestrade
den Satz: „Wie bitte?“ ausgesprochen hatte, landete sein Smartphone auch schon
auf dem Asphalt, wo es in tausende Einzelteile zersprang. Wie ein kleiner Junge
jammerte Lestrade dem Gerät hinterher. „Warum haben Sie das getan?“
„Weil es nötig war. …TAXI!“
Chefinspektor Lestrade und Dr. John Watson konnten nur noch hinterher sehen, wie
der schlaksige Kerl einem Taxi nachjagte, welches kurz darauf anhielt. „Nun
machen Sie schon!“, rief er den beiden mit funkelnden Augen zu.
„Wetten, dass er es gleich sagt?“, bemerkte John Watson mit einem spöttischen
Grinsen, während er langsam neben Lestrade zum Taxi trabte. Lestrade verzog
bereits genervt die Augenbrauen. So sehr er sich auch freute seine besten
Freunde am Leben zu wissen. Das Ganze artete allmählich in Stress aus, und er
war schließlich nicht mehr der Jüngste. „Kann mir vielleicht mal jemand erklären
was hier eigentlich los ist? Ihre Wohnung ist gerade in die Luft gesprengt
worden, und dann wirft Sherlock mein Handy weg, nachdem sein Bruder ihm
offensichtlich Anweisungen gegeben hat!“ Watson legte ihm beruhigend seinen Arm
um die Schulter. „Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, ich verstehe es auch
nicht. Aber wenn er jetzt diesen Satz sagt, dann besteht Hoffnung.“
„Warum beharren Sie permanent auf diesen Satz? …Und welchen Satz meinen Sie
überhaupt?“
John Watson tat geheimnisvoll je näher sie dem Taxi kamen. Zum ersten Mal seit
Stunden sah er in Sherlocks Gesicht endlich wieder dieses Jagdfieber.
Gleichzeitig wusste er, dass nur ein außergewöhnlicher Gegner dazu in der Lage
sein konnte diesen Effekt zu erzeugen. Das machte ihm instinktiv Angst. Moriarty
gab es nicht mehr, aber wer konnte noch mächtiger als Moriarty sein? Noch bevor
Watson den Gedanken zu Ende denken konnte, befreite ihn Sherlock von der Last
des Denkens.
„Das Spiel hat begonnen!“, sagte er mit loderndem Feuer in seinen Augen, wobei
er sich genüsslich Zeit dafür nahm die Türen des Taxis zu öffnen.
Ohne Widerstand stiegen der Doktor und der Inspektor in den Wagen.
„Die Reise geht nach Schottland!“ Als Sherlock die entsetzten Blicke der
Insassen, inklusive des Fahrers zur Kenntnis nahm fügte er vorsichtshalber
hinzu. „Keine Sorge, es gibt da einen kleinen Flughafen im Norden Londons.“
Drei Stunden später…
Eine Hooligankneipe in Glasgow. In Fankreisen bekannt als eine Art heiliger
Boden, in der sowohl Celtic, als auch Rangersfans sich trafen. Meist ging es
dabei um Drogen. Aber nie wurde geduldet, dass jemand die Hand gegen einen
verfeindeten Clan erhob, denn in einem waren sich alle schlicht einig.
„Heiliger Boden, Highlander!“
Hirte dieser Einrichtung war seit über vierzig Jahren ein Mann, der die Kneipe
als Fanprojekt, eine Art soziales Experiment, an die Politik verkauft hatte, von
der er sich Personal, wie auch Sachmittel finanzieren ließ. Im Gegenzug spendete
er einen Teil seiner Überschüsse in soziale Projekte, die er anschließend
gewinnbringend für sich arbeiten ließ. Ihn hier allerdings anzutreffen war wie
ein Sechser im Lotto.
Mycroft Holmes war dieser Sechser im Lotto. Und er war in Schwierigkeiten.
„Was habe ich mit Ihren Schwierigkeiten zu tun, Mycroft, ich bin Schwede.“
„Sie haben es mit Moriarty zu tun, und das macht die Sache international, Herr
Reuters! Sie sind in Schwierigkeiten!“
„Komisch“, entgegnete Charles Augustus Reuters, Verwalter eines weltweiten
Meinungsimperiums. „Bei all unseren Gesprächen kamen Sie mir noch nie so, …ja
wie soll ich es ausdrücken, …verzweifelt vor. Vielleicht sollte ich lieber mit
Moriarty verhandeln, als mit Ihnen.“
„Wenn Sie sich gern unterordnen, nur zu! Aber ich kenne Sie als einen Macher,
der sich von niemandem vorschreiben lässt was er zu tun hat.“
„Sie haben meine Aufmerksamkeit.“, entgegnete Reuters kühl.
„Wir brauchen ein öffentliches Meinungsbild, das die Glaubwürdigkeit der Medien
stärkt. Sie können das erreichen.“
„Aus Ihrem Mund klingt das wie eine Drohung.“
„Moriarty ist der Enkel der Königin! Reicht Ihnen das als Information?“
Endlich war es raus. Reuters Gesicht zeigte keinerlei Anzeichen von
Überraschung. „Sie haben es gewusst… Ich bin ein solcher Idiot!“
In diesem Moment betraten Sherlock, John und Lestrade das Lokal. Am liebsten
hätte Mycroft ihnen zugerufen: Bleibt weg!, doch da war es auch schon zu spät.
Zehn Minuten später in einer schottischen Gefängniszelle.
„Was für ein hinterhältig, geniales Spiel! Es ist fast so, als würde Moriarty
noch leben!“, rief Sherlock begeistert, während er mit seinen dauernden
Spaziergängen durch die Zelle dem Rest der Insassen einfach nur den letzten Nerv
raubte. „Könnten Sie mal für einen Moment stillhalten?“, monierte Lestrade als
Erster. „Ich bekomme allmählich Kopfschmerzen!“
Sherlock warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Das liegt nur daran, dass Ihr
Gehirn nach Arbeit verlangt, den der Rest von Ihnen aus purer Bequemlichkeit
verweigert!“
„Das bringt doch alles nichts.“, versuchte John Watson den Gestaltungsrahmen der
Diskussion wieder auf ein reales Level zu setzen, während er nebenbei
registrierte, wie auffallend ruhig Mycroft seit der Verhaftung geblieben war.
Wie auf Zuruf beendete Mycroft Holmes mit nur einer Bemerkung Sherlocks
hektische Bewegungen in der Zelle. „Moriarty lebt, und er ist ein Enkel der
Königin.“
…
..
.
„Ich wusste es!“, rief Sherlock begeistert, und blieb in seiner Begeisterung
allein.
„Und wir sitzen in einer Zelle!“, bemerkte Lestrade gedemütigt.
„Wir haben noch einen Trumpf im Ärmel!“, behauptete Sherlock felsenfest,
woraufhin ungläubige Blicke eine Erklärung für diese kühne These einforderten.
Selbst Mycroft hatte keine Ahnung, was sein verrückter Bruder als nächstes sagen
würde.
Und doch war es so einfach als er es sagte.
„Die Frau!“
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Verfasst am : 29.04.2018 18:56
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Sherlock- in tiefer Verneigung 4
Noch immer verharrten Holmes und Watson ergebnislos in der Nähe ihrer ehemaligen
Behausung. Wie viele Erinnerungen hatten sich dort angesammelt. Sherlock hatte
sie alle im Kopf, während John in eine Art Plapperlaune verfiel und sie eine
nach der anderen aufzählte, wobei er unentwegt kicherte.
„Wissen Sie noch? Die Frau? Hihihihii…“ Sherlock stöhnte. „Wann halten Sie
endlich die Klappe!“ John verschränkte sofort beleidigt die Arme und zog eine
Schippe. „Sie haben mir doch den Joint gegeben!“
„Meine Güte, haben Sie in diesem Zustand wirklich Menschen operiert?“ John
Watson wurde plötzlich ernst. „Was stimmt mit Ihnen nicht, Sherlock? Abgesehen
davon, dass Sie sind wie Sie sind! Legen Sie es wirklich drauf an, es sich mit
jedem Menschen den Sie treffen zu verscherzen? Weil, wenn das so ist, werden Sie
mich auch los! Verstehen Sie das?“
„Der Ameisenjäger ist da.“, erwiderte Sherlock unbeeindruckt. „Der A…? Sherlock,
hören Sie auf damit, ich will eine A…! …Welcher Ameisenjäger?“
Sherlock zeigte auf einen Mann der aufgeregt zwischen Löschfahrzeugen und
Polizeiwagen hin und her rannte. „Das ist Greg!“, sagte John sofort. „Wer zum
Teufel ist Greg?“ John warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Genau diese Art
von Bemerkungen machen Sie zu einem solchen Kotzbrocken! Das ist Lestrade! Und
wenn Sie nicht so eitel wären, und endlich mal Ihre Brille aufsetzen würden,
dann bestünde die Wahrscheinlichkeit, dass selbst Sie ihn erkennen!“ Manchmal
gab es Momente, in denen der Doktor Sherlock an den Hulk erinnerte.
„Regen Sie sich ab, John, ich setze jetzt meine Brille auf. …Du meine Güte, das
ist ja Lestrade! Sein hektisches Getue hätte mir eigentlich gleich auffallen
müssen.“ Ein kaum wahrnehmbares Grinsen verließ seine Gesichtszüge.
„Verarschen kann ich mich selber! …Ich schicke ihm übers Smartphone eine
Nachricht…“ Plötzlich griff Sherlock nach dem Smartphone, und warf es auf die
andere Straßenseite, wo es sofort zerschellte.
John bemühte sich um Fassung. Dann um Worte. Die Worte kämpften gegen die
Fassung. Fäuste schrieen nach Vergeltung. Das Hirn war auf Alarmstufe Rot.
Dann geschah etwas womit selbst er nicht rechnete. Sherlock nahm sein geliebtes
Smartphone, und warf es ebenfalls gegen den Asphalt, wo es das Schicksal seines
Vorgängers teilte.
Plötzlich herrschte Frieden.
Wieder fehlten die Worte. Aber diesmal fehlten sie nicht weil man darum rang,
sondern sie fehlten, weil sie einfach nicht nötig waren. Stattdessen bahnte sich
das zunehmende Gefühl des Lachens den Weg in die Köpfe der Streithähne.
Lediglich die Vorsicht verhinderte, dass es passierte. Außerdem war die Frage
nach der Kontaktaufnahme ein wenig erschwert.
„Wir sollten nie wieder einen Joint rauchen, wenn wir uns auf so etwas
einlassen. Aber wie ich Sie kenne, haben Sie bestimmt eine Idee.“, sagte John
gutgelaunt.
„Sie sollten keinen Joint mehr rauchen,
und natürlich habe ich eine Idee. Sie gehen hin und holen ihn.“, antwortete
Sherlock mindestens ebenso gut gelaunt, und bereitete damit dem ersten Samen des
Zweifels seinen Weg. „Ich will unsere gerade entstandene Harmonie zwar nicht
abwerten. Aber bist du dir sicher, dass das funktioniert?“
Sherlock warf ihm einen erstaunten Blick zu. „Dann sind wir also beim Du? Find
ich gut John, und jetzt hol den guten alten George her. Wir benötigen ein wenig
Insiderwissen aus den Kreisen der Polizei.“
„Er heißt Greg, und wir bleiben beim Du! Das macht es mir leichter dir eine aufs
Maul zu hauen, wenn du dich mal wieder wie ein Arschloch aufführst!“, entgegnete
Watson wütend und stapfte in Richtung Lestrade. Sherlock sah besorgt zum Himmel.
Es würde nicht mehr lange dauern bis die ersten Aufklärungsdrohnen auftauchten.
Hoffentlich war John schnell genug.
Verhörzimmer 213
Professor Moriarty hielt wie vereinbart sein Schlussplädoyer in der Sache:
Brauchen wir den Mycroft noch?, welches er Dank seiner Oma, keiner geringeren
als Queen Mum die Zweite, einberufen hatte.
„Mycroft Holmes! Ich stelle Ihnen jetzt eine Frage, die Ihr künftiges Sein
bestimmt. Wem dienen Sie?“
„Ich diene der Krone!“, antwortete Mycroft wie aus der Pistole geschossen.
Moriarty lächelte eisig. “Wer hätte jemals gedacht, dass wir beide mal auf einer
Seite stehen.“ Mycroft verkniff sich einen Kommentar. Aber was noch viel
schlimmer war. Er hatte auch keinen auf Lager. Er befand sich in der Hand des
mächtigsten Verbrechers der Welt, der sogar einen Anspruch auf den Thron hatte,
den er aber niemals einfordern würde. So war Moriarty einfach nicht. Er leitete
seine Geschicke wie eine Spinne lieber jenseits der Öffentlichkeit. Den
austauschbaren Trotteln die zeitweise verliehene Krone, den Drahtziehern die
Anonymität und Macht.
Dann dachte er an John Wayne und Donald „Trumpi“ Duck. Die Welt war wirklich
verrückt geworden. Vernunft und Pragmatismus vermischten sich im Fahrwasser der
Beliebigkeit mit Massenstumpfsinn und Belehrbarkeitswahn. Wie sollte man da noch
dem Gemeinwohl dienen, wenn dieses in seinen Grundfesten so zerstritten war?
Jemandem wie Mycroft Holmes wären solche Gedanken freilich nie freiwillig durch
den Äther seiner Gedanken gerollt. Aber hier galt es einen gefährlichen Irren
mit schier unüberwindlichen Machtbefugnissen aufzuhalten, was einfacher gesagt
als getan war. Moriarty war kein Idiot. Und dann war er auch noch der Enkel der
Königin. Es war zum Verrücktwerden! Immerhin hatte ihm Moriarty zumindest eine
Art Ausweg geboten, wenn auch davon auszugehen war, dass dieser nicht auf
Vertrauen basierte. Allein seine selbstgefällige Fratze, die das Gefühl von
geistiger Überlegenheit suggerierte. Hier standen sich zwei alte Feinde
gegenüber, die über das Stadium sich gegenseitig etwas vorzumachen, lange hinaus
waren. Und obwohl sie sich intellektuell, wie auch in ihrem Zynismus absolut
gleich waren, hatte zumindest einer von ihnen den Vorteil, eine Oma zu haben die
nebenbei auch noch Königin war, während der andere nur einen Bruder vorweisen
konnte, der…
Nun ja.
Die Vorzeichen für diplomatische Beziehungen standen alles andere als gut, aber
sie waren immer noch besser als die Option sich für die nächsten zehn Jahre
einfrieren zu lassen.
„Was ist mit meinem Bruder?“, wagte Mycroft vorsichtig zu fragen. Moriartys
Gesicht versteinerte sich zu einer erhabenen Grimasse. „Lösen Sie das Problem,
Mycroft. Das ist jetzt Ihr neuer Job. Ihre neue Chipkarte liegt an der
Rezeption. Sie behalten unbeschränkten Zugang. Ach ja, und noch was. Dem Empire
ist es wichtig, dass wir die Kontrolle in der Ukraine behalten. …Dieser Auftrag
könnte John Watson vielleicht das Leben retten.“
Mycroft behielt seine Gedanken für sich. Was ihm hier als Lebensrettungsprogramm
verkauft werden sollte, war nicht weniger als eine Kamikazeaktion. Hoffentlich
hatte wenigstens Chefinspektor Lestrade sein Smartphone noch nicht
weggeschmissen.
ff
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Verfasst am : 26.04.2018 00:15
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