Eine ohrenbetäubende Explosion erschütterte die Bakerstreet. Sherlock bemerkte
Johns entsetzten Gesichtsausdruck. „Keine Sorge, John, ich habe Mrs. Hudson
heute freigegeben.“
„Was passiert hier gerade, Sherlock?“ Holmes zuckte mit den Schultern. Erste
Sirenen näherten sich dem Tatort. Wie durch ein Wunder war niemand ums Leben
gekommen. „Wollen Sie die lange, oder die kurze Version?“ Watson schüttelte
verzweifelt den Kopf. „Nei-hen Sherlock, ich will, dass Sie es mir als Freund
erklären!“
Sherlock hob seine linke Augebraue. „Wir beide sind ab jetzt auf der Flucht, und
ich fürchte, dass auch mein Bruder in Schwierigkeiten steckt.“
„Um Mycroft würde ich mir keine Sorgen machen. Er hat uns doch erst in diese
Lage gebracht.“
„Sie unterschätzen einen entscheidenden Punkt, John. Mycroft war da um mich zu
warnen. Allein die statistische Wahrscheinlichkeit, dass Sie wirklich hinter dem
Vorhang stehen könnten hielt ihn davon ab nachzusehen, und natürlich seine
Eitelkeit. Die Explosion beweist die Nachhaltigkeit einer Kausalkette, in deren
Fokus wir geraten sind. Wir sind jetzt offizielle Feinde des sozialen Friedens.
Vermutlich werden wir in der Presse demnächst zu Terroristen erklärt.“
„Sie sagen das, als ob Sie sich darüber freuen würden.“, entgegnete Watson
befremdlich. „Glauben Sie mir John, niemand ist im Augenblick wütender darüber
als ich. Immerhin bin ich gerade obdachlos geworden, was in gewisser Weise auch
auf Sie zutrifft, alter Freund.“
Ein schrecklicher Gedanke ging Watson durch den Kopf. „Wir müssen sofort zu
Mary!“ Sherlock hielt ihn zurück. „Mary ist clever genug um sich selbst zu
retten, John, und vermutlich macht sie sich im Augenblick mehr Sorgen darüber,
dass Sie sich zu genau dieser Dummheit hinreißen lassen sie retten zu
wollen...“
„Noch ein Wort, Sherlock, und ich schwöre, ich poliere Ihnen die Fresse!“
Kommunikationstechnik vibrierte in Johns Hosentasche. Hastig griff er nach
seinem Smartphone und las die Nachricht. Nicht
nach Hause kommen! Ich liebe dich!
„Ich nehme an das war Mary.“, kommentierte Sherlock selbstgefällig seine
Beobachtung. John Watson schwieg. Um sie herum ertönten immer lauter werdend die
Sirenen. „Ich wollte mal ein normales Leben.“, sagte er schließlich mit leiser
Stimme. „Nein, wollten Sie nicht!“, widersprach Sherlock sofort.
„Ist das etwa ein Joint, den Sie da rauchen?“
„Hilft mir beim Nachdenken. Wollen Sie auch?“
„Bleiben Sie mir bloß vom Leib mit dem Zeug!“
„Ich wusste gar nicht, dass Sie so ein Ignorant sind.“
„Verschonen Sie mich mit Ihren Vorträgen! In Afganistan war ich praktisch
dauerbreit.“ Sherlock war ehrlich überrascht. „Sie waren Arzt und haben wichtige
Operationen vorgenommen.“ John lächelte bitter. „Ganz genau.“
„Ich bewundere Ihre Selbstdisziplin.“
„Davon könnten Sie sich gelegentlich eine Scheibe abschneiden, was mich zu der
Frage führt: Worauf warten wir hier eigentlich, wenn wir doch angeblich
demnächst für vogelfrei erklärt werden?“ Sherlock warf ihm einen belehrenden
Blick zu. „Wir sollten hier und heute durch einen sehr aufwendigen
Bombenanschlag ums Leben kommen, aber irgendetwas daran stimmt nicht, da man uns
mehr als offensichtlich gewarnt hat. Sehen Sie die ganze Szenerie wie einen
Ameisenhaufen. Jede von ihnen hat ihre Aufgabe. Ich aber warte auf den
Ameisenjäger, eine Spinnenart, die Ameisen perfekt imitiert, um sie als
Nahrungsquelle zu nutzen.“
„Geben Sie mir den verdammten Joint!“
Verhörzimmer 213
Mycroft Holmes blickte wie erstarrt in ein Gesicht, dass er seit Jahren für tot
hielt. Bis vor noch wenigen Minuten hatte er das den Drogen zugeordnet, die man
ihm verabreicht hatte. Doch jetzt war er stocknüchtern, und es war immer noch
Moriarty der ihm grinsend gegenüber saß. „Das ist vollkommen unmöglich!“ Fast
klang diese Bemerkung wie das Staunen eines kleinen Jungen. „Sie haben diesen
Satz jetzt bereits zum siebenundvierzigsten Mal gesagt. Ich bin ja so gespannt
ob wir heute noch die hundert erreichen.“
„Aber wie?...“
„Diese Frage stellen Sie mittlerweile auch schon zum zwölften Mal. Ich bin
gespannt wie lange Ihr Geist braucht um die richtigen Fragen zu stellen.
Nebenbei bemerkt: Sie als Testobjekt unserer neuesten Versuchsreihe interaktiver
Drogen zu haben ist mehr als nur eine Ehre! Dank Ihrer Mithilfe an diesem
Experiment haben unsere Ärzte revolutionäre Entdeckungen gemacht.“
„Ich kann und will nicht glauben, dass das Empire den größten Verbrecher aller
Zeiten in seine Dienste stellt!“
„Oh, Sie werden wütend. Das kann ich Ihnen nicht verdenken, immerhin waren Sie
es, der mir seinen lästigen Kampfhund auf den Hals gehetzt hat, aber ich
verzeihe Ihnen. Mit Sherlock zu spielen hatte etwas erheiterndes, ja, ich möchte
fast sagen, er hat mich bereichert. Da nimmt man auch gern mal den eigenen Tod
in Kauf, wenn es sich als nachhaltig sinnvoll erweist.“
„Was wollen Sie?“, gab Mycroft sich erschöpft geschlagen. Moriarty lächelte.
„Eigentlich haben Sie Ihren Zweck fürs erste erfüllt, Mycroft. …Nun ja, Queen
Mum hält große Stücke auf Sie, aber angesichts neuer geostrategischer
Überlegungen, muss auch sie sich eines Tages ihrer Sterblichkeit stellen.“
„Warum reden wir dann noch?“
„Weil Sie unterhaltsam sind, Mycroft! Ich liebe Dramen, und Sie sind ein Teil
davon. Momentan sind Sie zwar relativ nutzlos, was mich zu der Überlegung bringt
Sie für zehn Jahre einzufrieren, aber man kann ja nie wissen.“
„Sie sind ja wahnsinnig.“
„Das ist übrigens der Satz, den Sie mir heute am häufigsten um die Ohren gehauen
haben. Ich schätze zwar Beharrlichkeit, aber sie sollte sich auch stets an ihren
Ansprüchen messen.“
„Als Agent der Königin stehe ich nur der Königin zur Verfügung.“ Moriarty
klatschte Beifall. Dann öffnete er die Tür. Mycrofts Mundwinkel verharrten in
südlicher Richtung. Königin Elisabeth die Zweite betrat das Verhörzimmer. Sie
bedachte Mycroft mit einem strengen Blick. „Wenn der Professor nicht gewesen
wäre, hätten die Ausmaße Ihrer Dummheit mittlerweile internationalen
Stellenwert. Bekommen Sie Ihren Bruder in den Griff!“
„Gott schütze die Königin!“
„Halten Sie die Klappe M. . Sehen Sie lieber zu, dass 007 in der Ukraine keine
Scheiße baut. …Wars das jetzt? Ich will Baywatch sehen, mit diesem Ex Catcher.
Nein, nicht die Serie, Hasselhoff ist ein Arsch, die mit dem Durchtrainierten,
wie heißt der gleich noch? Nein, nicht Patrick Swayze, dass war doch der aus
Dirty Harry, da war glaub ich noch die Thatcher an der Macht. Die hat allen
Ernstes geglaubt, die könnte mich überleben, hahaa…“
„Majestät, es wäre vielleicht klüger jetzt den Raum zu verlassen.“, riet
Moriarty vorsichtig. „Jetzt will mir mein eigener Enkelsohn auch noch den Mund
verbieten?“
Mycroft stand vor Entsetzen der Mund offen.
Den Anderen auch.
Selbst Moriarty.
Später sollte ein Bild über dieses Ereignis im Internet kursieren, welches man
allerdings staatstragend als Fake News diffamierte.
Ff
Demnächst: Ein alter Freund taucht auf. Chefinspektor Lestrade.