23.245x gelesen 104x abonniert Ausgabe 30/24 27.07.2024 THE WALKING SHIT Jetzt registrieren

Sherlock- in tiefer Verneigung 2 Verfasst am : 19.04.2018 23:28

Mycroft saß in seiner Limousine und starrte nachdenklich aus dem Fenster. Er hatte nicht gelogen, als er seinen Bruder gewarnt hatte, dass die Anwesenheit von Doktor Watson seine kühnsten Phantasien übersteigen würde. Bei aller Loyalität. Watson war ein Risikofaktor geworden, und nicht mal Mycroft war optimistisch genug anzunehmen, dass seine Vorgesetzten den guten Doktor aus reiner Menschlichkeit verschonen würden. Was er allerdings nicht bemerkt hatte war, dass ausgerechnet sein Bruder Sherlock die Wanze an seinem Jackett mit einem gezielten Mikrowellenangriff so beschädigt hatte, dass sie praktisch keinerlei Signale mehr senden konnte. Niemand misstraut einer Violine. Eine Erfahrung die ihm erst noch bevorstand, denn noch war er der festen Überzeugung, dass seine Vorgesetzten jedes Wort der Unterhaltung mitgehört hatten.
Entsprechend eisig wurde er im Buckingham Palast empfangen, ohne zu wissen warum. Den Blicken nach zu urteilen die man ihm zuwarf, wurde er geradewegs auf ein Schafott geführt. Aber warum? Er hatte nichts falsch gemacht, es sei denn… Natürlich. Sherlock hatte irgendwie seine Wanze deaktiviert. Unwillkürlich fiel ihm die Violine ein. Und so wie er seine Vorgesetzten kannte, würden sie ihm aus rein anerzogenem Misstrauen sofort eine Mittäterschaft unterstellen, und in ein unterirdisches Verhörzimmer führen. Wie er es manchmal hasste recht zu haben.

Wenige Minuten später im Verhörzimmer.
Es war entwürdigend. Einfach nur entwürdigend. Nicht, dass Mycroft Verhörzellen fremd waren, aber wenn er je auf der anderen Seite des Tisches saß, dann ausschließlich im Ausland, als er noch Agent war. Von seinen eigenen Leuten verhört zu werden war aber einfach nur entwürdigend, auch wenn ihm die Gründe des Empires natürlich völlig klar waren. Umso mehr ärgerte er sich über seine eigene Dämlichkeit. Er hatte nicht nur den Doktor, sondern darüber hinaus auch seinen Bruder, und nicht zuletzt sich selbst in eine mehr als unangenehme Lage gebracht. Und dann noch dieses Warten.
Immerhin hatte er währenddessen Zeit sich geistig mit seinen künftigen Verhörern zu beschäftigen, die allerdings nicht lange andauerte. Das waren zwar alles kluge und clevere Leute, aber sie hatten ihre Ausbildung vor allem ihm zu verdanken, und natürlich kannte er sie auch persönlich. Goldfische eben. Wen also würde man schicken?
Die Antwort darauf sollte auf sich warten lassen.

Bakerstreet 221 b

John Watson wurde allmählich unruhig. Sherlock kaute bereits seit einer halben Stunde auf einem Bleistift herum, und kontrollierte alle zehn Sekunden seine Fortschritte. „Für so etwas gibt es Bleianspitzer!“, verschaffte John seinem Ärger schließlich lauthals Luft. Holmes hielt inne und warf dem Doktor einen erstaunten, und zugleich sehr verwirrten Blick zu. „John, Sie sind ein Genie!“ Kaum ausgesprochen sprang er auf, stürzte sich in seinen Mantel und eilte zur Tür. Dann warf er Watson diesen typischen Blick zu. Muss ich erst bitten, oder wollen wir tanzen? Watson spielte die Primadonna. „Ich komme nicht mit!“
„Wie bitte?“
„Ja nun tun Sie nicht so überrascht, ich komme nicht mit!“, erwiderte John Watson entschlossen.
„Was soll das denn jetzt? Da draußen wartet der größte Fall aller Zeiten auf uns, und Sie wollen lieber hier bleiben?“
„Ganz genau!“
„Gibt es auch einen Grund für Ihre kindhafte Sturheit?“
„Wie wäre es, wenn Sie mal in den Spiegel schauen.“, antwortete John schnippisch. Sherlock verdrehte die Augen. „Ich wüsste zwar nicht wie uns das voranbringen sollte, aber gut.“ Sherlock schaute in den Spiegel neben der Garderobe ohne etwas anderes als sich selbst dabei zu entdecken.
„So habe ich das nicht gemeint, und das wissen Sie genau!“, maulte John.
„Wie haben Sie es dann gemeint?“, spielte Sherlock den Unwissenden. John stöhnte. „Jedes Mal wenn ein großer Fall ansteht speisen Sie mich wie einen kleinen Jungen mit Brotkrumen ab, und ehe ich mich versehe stecken Sie in Schwierigkeiten und ich muss Ihnen den Arsch retten!“
„Guter Hinweis, Watson. Nehmen Sie den Revolver mit!“, antwortete Sherlock und wandte sich erneut der Tür zu.
„Haben Sie mir überhaupt zugehört?“, entfuhr es dem Doktor empört.
„Ich höre Ihnen immer zu, John, auch wenn es mir manchmal Schmerzen bereitet. Außerdem haben Sie doch Mycroft gehört. Sie einzuweihen hat ernsthafte Konsequenzen, und so wie ich das sehe sind Sie eingeweiht. Also hören Sie auf zu nörgeln und vertrauen Sie mir.“
Langsam erhob sich John aus seinem Sessel, ging in die Küche, öffnete eine Schublade und nahm den Revolver an sich. Dann begab er sich gemächlich zur Tür und sah seinen Chef mit großen Augen an. „Jetzt zufrieden?“


Verhörzimmer 213 im Keller des Buckingham Palastes.

Wie lange sein Kopf auf dem unbequemen Tisch des Verhörzimmers gelegen hatte, wusste Mycroft nicht. Er hatte jedes Gefühl für Zeit verloren, was daran lag, dass man ihn während seiner Schlafphase eine sehr interaktive Droge eingeflösst hatte. Das gehörte praktisch zur Standardvorgehensweise, wenn es um schwierige Gefangene ging. Außerdem war er nicht mehr allein im Zimmer.
„Wie lange habe ich geschlafen?“ Während er so tat, als würde er sich noch vollkommen im geistig komatösen Aufwachzyklus befinden, waren seine Sinne bereits hellwach. Die Antwort blieb aus. Mycrofts Augen blieben an einer Gestalt haften, die ihn an seine bösesten Kindheitsphantasien erinnerten. Eine Gestalt in einem schwarzen Umhang mit verborgenem Gesicht, welche schwarzen Atem spie. Zweifellos eine Suggestion durch die Droge. Mycroft versuchte angestrengt seinen Realitätssinn zu wahren. Er dachte an den Film: „Männer die auf Ziegen starren“. Ein probates Mittel um mit der Realität in Kontakt zu bleiben. Gleichzeitig meldete sich sein Gewissen, das ihn für die Mittäterschaft an den Leiden seines Geistes zur Verantwortung zog. Das Ganze verzog sich zu einer Dauerschleife, der Mycroft immer mehr zu folgen begann. „Haben Sie gewusst, dass Ihr Bruder ein Gerät in seinem Besitz hat, das es ihm ermöglicht ihre Wanze außer Gefecht zu setzen?“
Die Dauerschleife begann sich zu lösen. Sein wie auch immer gearteter Verhörmanager hatte einen entscheidenden Fehler begangen.
„Kann ich diese Frage so lange als irrelevant in den Kontext unserer Unterhaltung stellen, bis Sie diese bescheuerte Maske ablegen?“
Die Maske überlegte kurz.
„Das könnte schwierig werden.“
„Und warum?“
„Sie stehen unter Drogen, Sie könnten sonst wen erkennen.“
Mycroft hielt einen Augenblick inne. Die Verhörtechnik war ihm zwar nicht unvertraut, aber es gab nur wenige Schüler, die sie noch verwenden konnten, da die meisten von ihnen durch mysteriöse Unfälle ums Leben kamen.
„Versuchen Sie es einfach!“, munterte Mycroft ihn auf, um es im selben Augenblick zu bereuen. Die Maske lichtete sich und es kam etwas zum Vorschein, von dem selbst Mycroft Holmes geglaubt hätte, es würde ihm nie wieder begegnen.
„Moriarty…“
„Vertrauen Sie immer noch Ihren Drogen?“
„Sie sind tot!“
„Und Sie sind auf Droge! Ist das nicht herrlich?“

ff

geschrieben von gottileini

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Kommentare

gottileini schrieb am 21.04.2018 15:08 Uhr

Honky, ich soll dich von Smoky grüßen. Wir haben vor siebenunddreißig Stunden, zehn Minuten und zweiundvierzig Sekunden miteinander telefoniert und über dich gesprochen. Laut ihren Aussagen bist du ein... Mist, ein Anruf. Oh Gott, es ist Cooker... Bis später!

Honkyschwonky schrieb am 20.04.2018 20:33 Uhr

Jahrtausendhand und Krawetten!

Smoky23 schrieb am 20.04.2018 06:29 Uhr

Zur selben Zeit an einem anderen Ort sitzt Phryne F. mit dem Hörer in der Hand und beobachtet während des Telefonats fasziniert den Sonnenuntergang...der Himmel gefärbt in Purpur...

...und gelb und grau und ...

Cooker schrieb am 19.04.2018 23:34 Uhr

Ein wirklischer drahmadischer bridischer Komblodd entskripalt sich hier...