Klawitters letzter Tag 2
Verfasst am : 01.05.2023 18:49
Wie zu seiner Bestätigung setzte Mutter noch einen drauf. „Du hast dir in deinem Berufsleben viele Feinde gemacht die der Meinung sind, dass du ihr Leben versaut hast. Einer von ihnen scheint im Laufe der Jahre vielleicht sehr rachsüchtig geworden zu sein?“
„Ich ziehe die Möglichkeit in Betracht.“, erwiderte Klawitter kühl und servierte Mutter den Tee. In seinem Kopf vibrierte es fast nach außen. Zum Glück hatte er eine längere Autofahrt vor sich. Da konnte er endlich seine Gedanken ordnen.
Nach mehreren Kilometern Fahrt kam Klawitter immer noch auf keinen grünen Zweig. Er hatte unzählige Schwerverbrecher eingebuchtet, aber keiner von denen war schlau genug sich nicht einbuchten zu lassen. Und von denen die mittlerweile auf freien Fuß waren, war jeder schlau genug sich nicht noch einmal mit ihm anzulegen. Also was hatte er übersehen? Zunächst beinahe den Straßenverkehr.
„Verdammter Idiot, warum fährst du 30 in einer 50 er Zone?“, keifte Klawitter über den vor ihm fahrenden Schwachkopf. Er neigte zwar selbst dazu die zugelassene Höchstgeschwindigkeit stets um fünf Km/h zu unterschreiten, aber 20 Km/h zu wenig waren eine unzumutbare Frechheit. Und natürlich saß ein Rentner mit Hut am Steuer, der vermutlich eine gefährliche Spritztour unternahm weil er vergessen hatte am Morgen seine Pillen zu nehmen, die ihn daran erinnern sollten nicht Auto zu fahren. Daher hatte Hupen keinen Sinn. Im Gegenteil. Der Mann würde das nur als Stressfaktor wahrnehmen und im schlimmsten Fall einen Unfall direkt vor seiner Nase verursachen, oder einfach die Hupe nicht hören, weil er auch sein Hörgerät vergessen hatte.
In solch hoffnungslosen Situationen war Klawitter einfach nur froh, wenn das lahme Arschloch vor ihm irgendwann abbog, oder er ihn auf gerader Strecke überholen konnte. Leider schienen sich solche Leute gern in eng zu durchfahrenden Ortschaften aufzuhalten. Es gab zwar keine offizielle Statistik zu diesem Thema, aber gefühlt hätte jeder zweite Autofahrer zugegeben Situationen wie diese zu kennen.
Um sich abzulenken rief Klawitter seine Mutter an. Als sie abhob hörte er Sirenen. Natürlich. „Geht es dir gut Mutter, und kann ich mit deinem behandelnden Arzt sprechen?“
„Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du während des Autofahrens nicht telefonieren sollst! Und was willst du mit meinem Arzt? Soll er mit dir ein Schwätzchen halten oder mich behandeln? Ich leg jetzt auf!“ Fassungslos starrte Klawitter auf sein Tastentelefon.
Der Rentner vor ihm betätigte plötzlich sein Warnblinklicht und blieb stehen. Gerade als Klawitter überholen wollte kam ihm ein nicht endender Strom von Radfahrern entgegen. Wie sich herausstellte waren es Aktivisten die den Autoverkehr in Brandenburg lahmlegen wollten indem sie Kilometerlange Fahrradketten bildeten, die im Schritttempo durch die Lande fuhren. Die Tür des vor ihm stehenden Fahrzeugs öffnete sich und tatsächlich stieg ein alter Mann mit Hut aus, der sich zielgerichtet auf Klawitter zubewegte. Trotz seiner offensichtlichen Gehbehinderung kam er mit seinem Gehstock immer noch schneller voran als die Fahrradkolonne. Klawitter verdrehte bereits die Augen. „Was willst du denn jetzt?“, stellte er die Frage mehr sich selbst, während er langsam das Fahrerfenster nach unten bewegte. Der alte Mann kam schwer atmend näher. Ein Ende der Fahrradkolonne war nicht in Sicht. Gehörte das etwa auch zum Plan? Schnell verwarf Klawitter den Gedanken als aberwitzig. Diese Klimawichtigtuer schossen in letzter Zeit wie unliebsame Pilze aus dem Boden.
„Entschuldigen Sie, junger Mann, aber ist das hier Prenden? Ich glaub nämlich, ich hab mich verfahren.“, krächzte der alte Mann in sein Fahrerfenster. Auch das noch!, dachte Klawitter und antwortete ruhig. „Das ist Zühlsdorf. Prenden liegt in der entgegengesetzten Richtung.“
„Bittäh?“ Also doch schwerhörig. „PRENDEN IST AUF DER GEGENFAHRBAHN!“
„Hach, was für ein Glück, dass ich Sie fragen konnte. Ich werde gleich wenden.“, sagte der alte Mann fröhlich und humpelte zu seinem Auto zurück. „Du kannst hier nicht wenden, du Idiot!“ Doch der alte Mann war schon zu weit weg und zu schwerhörig um Klawitters Worte zu hören. „Steig auf dein Rad
wirf den Motor ab
für das Klima
das ist prima!“, sangen die Radfahrenden, wie sich selbst bezeichneten fröhlich. Mitleidig blickten sie dabei auf die zwei alten Männer die mit ihren künftigen, klimaschädlichen Reliquien hier festsaßen. Dann geschah das Unfassbare. Der alte Mann vor ihm startete den Motor und fuhr direkt in die Fahrradkolonne hinein. Wie durch ein Wunder gab es lediglich hässliche Schrammen, aber der eigentliche Tumult war eröffnet. Sofort stoppte der Fahrradkonvoi, und wie Ameisen umlagerten die Aktivisten das Auto des alten Mannes, der völlig überfordert mit den Armen ruderte und sabbernd vor sich hin kreischte. Klawitter hielt kurz inne, ehe er sich entschloss in die Situation einzugreifen. „Polizei, machen sie bitte den Weg frei!“, begann er sofort mit der Offensive und wedelte mit seinem Dienstausweis als er sich dem alten Mann näherte. Mürrisch, aber willig öffneten die Radfahrer eine Schneise für die Ordnungsmacht. Grund genug für Klawitter noch einen drauf zu setzen. „Und wenn es euch nichts ausmacht, fahrt bitte weiter, damit der Krankenwagen hier durchkommt, klar?“
„Scheiß Nazi!“, zischte es anonym aus dem Fahrerpulk.
„Halt die Fresse, du Idiot!“, intervenierte sofort ein anderer.
„Wie war das eben?“, horchte Klawitter auf und warf einen prüfenden Blick in die Runde. „Wir fahren natürlich weiter und behindern niemanden der Menschenleben retten will, ist es nicht so, Freund*innen intergeschlechtlicher Transzendenz?“, verkündete ein langhaariger, älterer Mensch mit Bart und Titten. Der Tross setzte sich langsam in Bewegung.
Der alte Mann beruhigte sich allmählich. „Ich hab den Radfahrer nicht gesehen, ich schwöre! Er war plötzlich da!“
„Verstehe!“, sagte Klawitter und rief die Notrufzentrale an. Anschließend rief er in der Dienststelle an.
„Jürgen, wo bleibst du?“
„Feli, es tut mir leid, ich hatte gerade ein „walking dead“ Erlebnis.“
„Du hast „The walking dead“ gesehen? Das hätte ich dir gar nicht zugetraut...“
„Feli!“
„Jürgen?“
„Ich verspäte mich. Gibt es was neues von Frau Ulus, oder dem zotteligen Kerl?“
„Komm einfach so schnell wie möglich her!“, sagte Fräulein Felicitas und legte auf.
Klawitter war hin und hergerissen. Die Straße war inzwischen wieder frei, aber vom Krankenwagen noch keine Spur. „Meinen Sie, Sie schaffen es jetzt ohne mich bis der Krankenwagen hier ist?“
„Wer braucht denn einen Krankenwagen?“, erkundigte sich der alte Mann verwirrt. Klawitter sah ihn stirnrunzelnd an. Ja, wer eigentlich, begann er sich selbst zu fragen. „Bleiben Sie einfach hier. Sie stehen unter Schock, ich war mal Sanitäter, ich kann das beurteilen. Und jetzt geben Sie mir den Zündschlüssel für Ihr Auto.“
Widerstandslos überreichte der alte Mann mit Hut seinen Autoschlüssel. „Ich bringe ihn persönlich zurück.“, versprach Klawitter. Der alte Mann sah ihn mild lächelnd an. „Nein, werden Sie nicht.“
„Ich ziehe die Möglichkeit in Betracht.“, erwiderte Klawitter kühl und servierte Mutter den Tee. In seinem Kopf vibrierte es fast nach außen. Zum Glück hatte er eine längere Autofahrt vor sich. Da konnte er endlich seine Gedanken ordnen.
Nach mehreren Kilometern Fahrt kam Klawitter immer noch auf keinen grünen Zweig. Er hatte unzählige Schwerverbrecher eingebuchtet, aber keiner von denen war schlau genug sich nicht einbuchten zu lassen. Und von denen die mittlerweile auf freien Fuß waren, war jeder schlau genug sich nicht noch einmal mit ihm anzulegen. Also was hatte er übersehen? Zunächst beinahe den Straßenverkehr.
„Verdammter Idiot, warum fährst du 30 in einer 50 er Zone?“, keifte Klawitter über den vor ihm fahrenden Schwachkopf. Er neigte zwar selbst dazu die zugelassene Höchstgeschwindigkeit stets um fünf Km/h zu unterschreiten, aber 20 Km/h zu wenig waren eine unzumutbare Frechheit. Und natürlich saß ein Rentner mit Hut am Steuer, der vermutlich eine gefährliche Spritztour unternahm weil er vergessen hatte am Morgen seine Pillen zu nehmen, die ihn daran erinnern sollten nicht Auto zu fahren. Daher hatte Hupen keinen Sinn. Im Gegenteil. Der Mann würde das nur als Stressfaktor wahrnehmen und im schlimmsten Fall einen Unfall direkt vor seiner Nase verursachen, oder einfach die Hupe nicht hören, weil er auch sein Hörgerät vergessen hatte.
In solch hoffnungslosen Situationen war Klawitter einfach nur froh, wenn das lahme Arschloch vor ihm irgendwann abbog, oder er ihn auf gerader Strecke überholen konnte. Leider schienen sich solche Leute gern in eng zu durchfahrenden Ortschaften aufzuhalten. Es gab zwar keine offizielle Statistik zu diesem Thema, aber gefühlt hätte jeder zweite Autofahrer zugegeben Situationen wie diese zu kennen.
Um sich abzulenken rief Klawitter seine Mutter an. Als sie abhob hörte er Sirenen. Natürlich. „Geht es dir gut Mutter, und kann ich mit deinem behandelnden Arzt sprechen?“
„Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du während des Autofahrens nicht telefonieren sollst! Und was willst du mit meinem Arzt? Soll er mit dir ein Schwätzchen halten oder mich behandeln? Ich leg jetzt auf!“ Fassungslos starrte Klawitter auf sein Tastentelefon.
Der Rentner vor ihm betätigte plötzlich sein Warnblinklicht und blieb stehen. Gerade als Klawitter überholen wollte kam ihm ein nicht endender Strom von Radfahrern entgegen. Wie sich herausstellte waren es Aktivisten die den Autoverkehr in Brandenburg lahmlegen wollten indem sie Kilometerlange Fahrradketten bildeten, die im Schritttempo durch die Lande fuhren. Die Tür des vor ihm stehenden Fahrzeugs öffnete sich und tatsächlich stieg ein alter Mann mit Hut aus, der sich zielgerichtet auf Klawitter zubewegte. Trotz seiner offensichtlichen Gehbehinderung kam er mit seinem Gehstock immer noch schneller voran als die Fahrradkolonne. Klawitter verdrehte bereits die Augen. „Was willst du denn jetzt?“, stellte er die Frage mehr sich selbst, während er langsam das Fahrerfenster nach unten bewegte. Der alte Mann kam schwer atmend näher. Ein Ende der Fahrradkolonne war nicht in Sicht. Gehörte das etwa auch zum Plan? Schnell verwarf Klawitter den Gedanken als aberwitzig. Diese Klimawichtigtuer schossen in letzter Zeit wie unliebsame Pilze aus dem Boden.
„Entschuldigen Sie, junger Mann, aber ist das hier Prenden? Ich glaub nämlich, ich hab mich verfahren.“, krächzte der alte Mann in sein Fahrerfenster. Auch das noch!, dachte Klawitter und antwortete ruhig. „Das ist Zühlsdorf. Prenden liegt in der entgegengesetzten Richtung.“
„Bittäh?“
Also doch schwerhörig. „PRENDEN IST AUF DER GEGENFAHRBAHN!“
„Hach, was für ein Glück, dass ich Sie fragen konnte. Ich werde gleich wenden.“, sagte der alte Mann fröhlich und humpelte zu seinem Auto zurück. „Du kannst hier nicht wenden, du Idiot!“ Doch der alte Mann war schon zu weit weg und zu schwerhörig um Klawitters Worte zu hören.
„Steig auf dein Rad
wirf den Motor ab
für das Klima
das ist prima!“, sangen die Radfahrenden, wie sich selbst bezeichneten fröhlich. Mitleidig blickten sie dabei auf die zwei alten Männer die mit ihren künftigen, klimaschädlichen Reliquien hier festsaßen. Dann geschah das Unfassbare. Der alte Mann vor ihm startete den Motor und fuhr direkt in die Fahrradkolonne hinein. Wie durch ein Wunder gab es lediglich hässliche Schrammen, aber der eigentliche Tumult war eröffnet. Sofort stoppte der Fahrradkonvoi, und wie Ameisen umlagerten die Aktivisten das Auto des alten Mannes, der völlig überfordert mit den Armen ruderte und sabbernd vor sich hin kreischte. Klawitter hielt kurz inne, ehe er sich entschloss in die Situation einzugreifen. „Polizei, machen sie bitte den Weg frei!“, begann er sofort mit der Offensive und wedelte mit seinem Dienstausweis als er sich dem alten Mann näherte. Mürrisch, aber willig öffneten die Radfahrer eine Schneise für die Ordnungsmacht. Grund genug für Klawitter noch einen drauf zu setzen. „Und wenn es euch nichts ausmacht, fahrt bitte weiter, damit der Krankenwagen hier durchkommt, klar?“
„Scheiß Nazi!“, zischte es anonym aus dem Fahrerpulk.
„Halt die Fresse, du Idiot!“, intervenierte sofort ein anderer.
„Wie war das eben?“, horchte Klawitter auf und warf einen prüfenden Blick in die Runde. „Wir fahren natürlich weiter und behindern niemanden der Menschenleben retten will, ist es nicht so, Freund*innen intergeschlechtlicher Transzendenz?“, verkündete ein langhaariger, älterer Mensch mit Bart und Titten. Der Tross setzte sich langsam in Bewegung.
Der alte Mann beruhigte sich allmählich. „Ich hab den Radfahrer nicht gesehen, ich schwöre! Er war plötzlich da!“
„Verstehe!“, sagte Klawitter und rief die Notrufzentrale an. Anschließend rief er in der Dienststelle an.
„Jürgen, wo bleibst du?“
„Feli, es tut mir leid, ich hatte gerade ein „walking dead“ Erlebnis.“
„Du hast „The walking dead“ gesehen? Das hätte ich dir gar nicht zugetraut...“
„Feli!“
„Jürgen?“
„Ich verspäte mich. Gibt es was neues von Frau Ulus, oder dem zotteligen Kerl?“
„Komm einfach so schnell wie möglich her!“, sagte Fräulein Felicitas und legte auf.
Klawitter war hin und hergerissen. Die Straße war inzwischen wieder frei, aber vom Krankenwagen noch keine Spur. „Meinen Sie, Sie schaffen es jetzt ohne mich bis der Krankenwagen hier ist?“
„Wer braucht denn einen Krankenwagen?“, erkundigte sich der alte Mann verwirrt. Klawitter sah ihn stirnrunzelnd an. Ja, wer eigentlich, begann er sich selbst zu fragen. „Bleiben Sie einfach hier. Sie stehen unter Schock, ich war mal Sanitäter, ich kann das beurteilen. Und jetzt geben Sie mir den Zündschlüssel für Ihr Auto.“
Widerstandslos überreichte der alte Mann mit Hut seinen Autoschlüssel. „Ich bringe ihn persönlich zurück.“, versprach Klawitter. Der alte Mann sah ihn mild lächelnd an. „Nein, werden Sie nicht.“
geschrieben von gottileini
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