23.251x gelesen 104x abonniert Ausgabe 30/24 27.07.2024 THE WALKING SHIT Jetzt registrieren

Ben II- Der gnadenlose Kunstkritiker Verfasst am : 07.11.2017 21:31

Neues aus der Schule

Zwei Monate lang wurde Ben von niemandem mehr gesehen.
Zumindest offiziell.
Inoffiziell wussten lediglich der Hausmeister, die Leitung und ich etwas davon, und niemand von uns hatte ein Interesse daran eine panische Elternschaft zu besänftigen, weshalb ich mich der verschwörerischen Gesellschaft des Schweigens ohne Murren anschloss. Doch dann häuften sich die Einzelfälle, und natürlich häuften sie sich in meiner Etage, dem Keller.
Als erstes war die Reinigungskammer dran. Dort hatte sich Ben an einigen Polyesterschwämmen vergangen und als Zeichen seiner Missbilligung ein paar Kotbrocken in Form von Torpedos hinterlassen. Nie werde ich den Gesichtsausdruck meines Hausmeisters vergessen, als ich plötzlich schrie: „Da hat sich was zwischen den Scheuerlappen bewegt!“ Wie von einer Tarantel gestochen sprang er in den sicheren Gang zurück, während ich mir vor Lachen den Bauch hielt. „Dit kannste doch nich mit mir machen!“, keuchte er, während seine Hände kampfbereit einen zitternden Spaten hielten. Ich verschloss vorsichtshalber die Tür. Immerhin waren Kinder in der Nähe.

Nachdem er sich von dem Schock erholt hatte beauftragte er eine Schädlingsbekämpfungsfirma. Danach wurde ein von den Bauarbeitern undichtes Rohr verstopft und ein paar Rattenköder ausgelegt. Was für eine Zeitverschwendung. Ben hatte lediglich den Raum nach Nahrung untersucht und ihn für untauglich befunden. Es war nur eine Frage der Zeit wann er woanders auftauchen würde. Und das tat er auch. Ausgerechnet im Kreativraum, in dem Werke entstanden, die manche Eltern dazu brachte ihre Kinder später in Kunsthochschulen zu stecken an denen sie völlig überfordert waren, aber das ist eine andere Geschichte. Ben hatte ohnehin auf das geschissen, was ich vergessen hatte im Müll zu entsorgen. Unauffällig verwischte ich die Spuren und versperrte zusammen mit dem Hausmeister den Eingang.
Wir gewannen einen weiteren Monat.

Aber dann.

Donnerstag, Oktoberferien 2017. (ein Wochenende vor Schulbeginn)

Ein Schrei.
„TORSTEN, KOMMA GANZ SCHNELL!“, schrillte es aus dem Raum meiner Integrationserzieherin.
„Komma ganz schnell“ ist nun wirklich kein Signal mit dem man mich hinter dem Ofen hervor holt, auch wenn es von einer Frau stammt, aber die Frequenz ihrer Stimme deutete auf eine Panik hin, die mir eine gewisse Neugier entlockte. Als ich sah was sie mir zeigte lief es mir eiskalt den Rücken herunter. Ben hatte seine Torpedos nicht nur in der Ecke ihres Raumes hinterlassen, er hatte es sich in dem Raum vielmehr gemütlich gemacht und unter anderem auf die Entspannungsmatratzen geschissen, die eigentlich für die Kinder gedacht waren. Ein Gedanke ließ mich nicht mehr los. Ben wollte also integriert werden. Sein Pech nur, dass unsere Integrationserzieherin noch keinen Rattenschein hatte.

Noch am selben Abend machte ich Bekanntschaft mit der Firma Schade, und einem unbeirrbaren, jungen Schädlingsbkämpfer, der mir versicherte noch jede Ratte erwischt zu haben. Einer hätte er sogar eine ganze Woche aufgelauert um sie letztlich zu kriegen, und außerdem studierte er zahllose Youtube Videos von bedeutenden Biologen über das Verhalten von Ratten. Je mehr ich mich für seine Methoden interessierte, desto mehr kam ich mir wie eine ertappte Ratte vor.

Aktueller Stand 7.11.2017

Der junge unbeirrbare Schädlingsbekämpfer wurde abgezogen. Sein Chef persönlich hatte drei weitere Rattenfallen aufgestellt und damit meinen überängstlichen Hausmeister zusätzlich beruhigt. Wie wenig der Mann, im Gegensatz zu seinem Azubi doch über Ratten wusste. Immer mehr wurde mir klar, dass ich etwas unternehmen musste, zumal das Geheimnis mittlerweile nicht mehr geheim war. Es war ausgerechnet Johannes B., der in der Hofpause bemerkte. „Ist das eine Mausefalle da in der Ecke?“ Vor meinem geistigen Auge spielte sich bereits das Tischthema der Familie B. zur Abendbrotzeit ab.

„Na, was gibt es neues aus der Schule?“, hörte ich Frau B. fragen.
„Och, nix besonderes. Lilien zofft sich mal wieder mit Maja, weil sie beide in Emil verknallt sind, Frau M. hatte heute einen Tobsuchtsanfall in der Mattestunde weil die Klasse so laut war, und Herr M. hat Mäuse in seiner Werkstatt…“
„MÄUSE?“
„Naja, da war `ne Mausefalle…“
„Wie groß war denn die Mausefalle?“

-einige Minuten später-

Die Kinder liegen bereits in den Betten.
Frau B. (aufgeregt): „Ich habs dir doch gleich gesagt, die haben ein Rattenproblem an der Schule, aber dieser blökende Nichtstuer von Hausmeister meint ja, ich wäre blöd!“
Herr B.: „Schatz… entspann dich. Vielleicht sind es wirklich bloß Mäuse.“ Frau B. wirft ihm einen finsteren Blick zu. „Als ob das die Sache besser machen würde. Und hör endlich auf, auf deinem Smartphone herumzuspielen, wenn ich mit dir rede!“

Das war gestern.
Von heute schreibe ich dann morgen.
Bis übermorgen also.

PS: Falls ihr glaubt, ich sauge mir das alles nur aus den Fingern. Pustekuchen! Das einzige was ich nicht weiß ist, ob Ben vielleicht gar kein Ben ist. Und was wenn sie schwanger ist?...
Oops!

Zum Schluss noch eine Verschwörungstheorie.

Marc Plaetrich ist ein Mädchen, und Honkyschwonky ihr Idol. Oder Schorsch Chancentod. Oder beide.

geschrieben von gottileini

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Kommentare

gottileini schrieb am 09.11.2017 20:36 Uhr

Möönsch Cooker, wir sind 'ne Baustelle, und unser Internet ist ein Lottospiel. Letztens habe ich in einer Kammer ein Bild von Erich Honecker gefunden. Daneben eine E- Gitarre. Wahrscheinlich von Udo Lindenberg. Und da erzählst du mir wat von Lichtschranken? Die sind froh wenn sie morgens in den Klassenraum kommen, und das Licht geht. Von der Heizung will ich gar nicht erst anfangen. Aber eigentlich nehme ich schon viel zu viel vorweg. Scheiß Glyphosat!

Cooker schrieb am 09.11.2017 14:39 Uhr

@Honky - musst mal die Initialen nehmen, dann drängen sich Ahnungen auf.

Honkyschwonky schrieb am 09.11.2017 11:23 Uhr

Was zum Teufel ist ein Marc Plaetrich?

Cooker schrieb am 09.11.2017 06:24 Uhr

Wie wär's mit einer Treibjagd?

Aus der Chemieabteilung (Grundschule?) kommen die Aufschrecker verstärkt von der direktiven Musikabteilung.

Die Physiker bauen die Lichtschranken auf, die dann wiederum den Historikern die grüne Lampe leuchten lassen, damit sie mit einem alten Schinken ("100 Jahre Fuzzicup") nach Ben werfen.

Da das nicht funktionieren wird, kommt schließlich doch die Küchencrew zum Einsatz:

Bratpfannen, MESSER, heißes Fett, gewaltbereite Spüler ... und ... GABRIEL... springt dann mit Clownsmaske aus dem Kühlhaus, was Ben dem Herzkasper erliegen lässt.

Wäre Ben da nicht plötzlich mitten im Unterricht der 3a angekommen. Aus allen Ecken schallt es synchron "Oh, ist die süß!" und "Darf man die streicheln, Frau Krummwiedel?". Und während Ben sich mehr und mehr in die Ecke drückt, der Kreis der frohlockenden ABC-Schützen immer enger wird, die Jagdhörner der Direktorin immer systemrelevanter werden während über allem die wiedelnde Krummfrau auf dem Schreibtisch tänzelt ... spannt sich Ben an und ...

gottileini schrieb am 08.11.2017 23:20 Uhr

Liebe Smoky.
Ich mag Ben auch. Jedenfalls mehr als die Wespe die mir neulich in den Zeh gestochen hat, als ich die Schuhe wechselte. Doch beide haben eines gemeinsam. Sie sind keine Mäuse. Auch unterscheidet sich ihr Kot in der Größe. ...Den Rest sag ich dir lieber privat. ;)

Lieber Cooker, es gab Zeiten in denen ich Basil Rathbone -"Sherlock Holmes"- Filme als gruselig empfand. Besonders "Die (scharlachrote) Kralle" ist mir noch lebhaft aus meiner Kindheit in Erinnerung. Wir waren zwei mutige Jungs, allein in einer Gartenlaube in der Nähe von Strausberg, und sahen diesen Film. Wir konnten ewig nicht einschlafen.
Heute erlebe ich, dass mir 10 Jährige erzählen wie lustig die letzte Folge von "Walking Dead" war. Und jetzt ist Ben da. :)

gottileini schrieb am 08.11.2017 22:52 Uhr

Interessanter Einwand, Schorsch. Leider ist die Musiklehrerin gleichzeitig stellvertretende Rektorin und damit systemrelevant. Hin und wieder lässt sie sich jedoch vom Religionslehrer vertreten, der heute aus allen Wolken fiel als er von der Ratte hörte. Sein Vorname ist übrigens Gabriel. Wäre ich nicht selbst dabei, es würde mir die Phantasie fehlen darüber zu berichten.

Schorsch Chancentod schrieb am 08.11.2017 22:31 Uhr

Hat mal jemand den Musiklehrer gefragt? Eine alte Flöte oder Pfeife wird sich doch noch finden? Und wenn ein paar Kinder mit abhanden kommen – Kollateralschaden?!

Smoky23 schrieb am 08.11.2017 06:16 Uhr

Ich mag Mäuse....

und Schuhe...

und ganz doll dich, du Kellerkind! ♥ ☻

Cooker schrieb am 08.11.2017 06:10 Uhr

zuviele Gruselfilme geschaut

gottileini schrieb am 07.11.2017 23:30 Uhr

Wieso gibt es dir zu denken, dass ich im Keller hause?

Cooker schrieb am 07.11.2017 21:57 Uhr

Was mir ja wirklich zu denken gibt, ist, wieso du in deiner Schule im Keller haust - zuständig für die Renitenten? Du bräuchtest Benita eigentlich, um damit ADHSsige einzuschüchtern, darum geht es doch.

Den naheliegendsten Gedanken hast du ja am Schluss schon rausgeschwimbelt: Ben ist transsexuell und zwar ganz integrativ. Die Parabel mit Franz Marc und seinem Lodi (Idol rückwärts, sowie 24 und 42) spricht ebenfalls dafür.

Gnade dir Gott!

Noch eine kleine Anekdote:
Es war einmal eine große Mensa. Wie jedes Jahr wuchs Ende November dort ein bescheuerter Weihnachtsbaum. Der wurde dann von bescheuerten Betriebsleitern und ihren Sklaven geschmückt. Viele in glänzendes Fake-Papier eingehüllte Pappkartons standen lustlos um dat Bäumchen herum und ließen sich beim leisesten Stühlerücken zur Seite kicken.

Eines dezemberlichen Morgens betrat der zweite Chef den Arbeitsplatz und wurde sofort vom Reinigungsboss fröhlich empfangen: Ey, guckst du! Und hielt ihm ein Handy unter die Pupillen.
Ein kleines spitzes Köpfchen, also riesig im Vergleich zu einer Maus, schaute entspannt und ausgestreckten Schnurrhaaren unter dem wunderschönen Mensa-Weihnachtsbaum hervor.

Hach, war das Keine Freude. War ja nur ein lebensmittelverarbeitender Betrieb. War ja auch nur im Gästebereich, in dem am Tag so schlappe 2000 Menschen speisten oder sonstigen Unsinn betrieben.

Der Puzzi-Fuzzi blieb loyal. Ein Klick hätte genügt, um etliche Arbeitsplätze zu vernichten und Köpfe rollen zu lassen.

Es war John, der Spüler aus Ghana, der einige Tage der qualvollen Suche nach Ben's Brother beendete. Wie nützlich doch gelegentlich Topfdeckel sein können.

In diesem Sinne beste Grüße
aus Cooktown