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Aus Ben wird eine Maus
Neues aus der Schule.
Dienstag, ein Name der seinen Namen verdient.
Der Hausmeister ist seit Montag krank. Das klingt harmlos, ist es aber nicht.
Denn seitdem er jedem Firmenangestellten der Schule verkündet hat, dass ich so
was wie sein Stellvertreter bin, quatscht mich Hinz und Kunz an, während die
Kinder nebenbei in meiner Werkstatt Räuber und Gendarm, mit echten Hämmern,
Raspeln und Sägen spielen. Als Gegenleistung zu diesem Privileg habe ich
immerhin fast alle Schlüssel in meinem Besitz.
Just in so einem Augenblick steht dieser gedrungene Kahlkopf, etwa mein Alter
vor mir, und will mit mir den Rattenbestand im Keller eruieren…
Vorgeschichte.
Ich hatte die Werkstatt wie üblich in der zweiten großen Pause geöffnet, die in
letzter Zeit auffällig stark von der 4c frequentiert wird. Die Rattenfallen
hatte ich wie üblich gut getarnt, oder was man eben so nennt. Bei Viertklässlern
genügt normalerweise die Anwesenheit eines Mülleimers, um sich aus dessen Nähe
fernzuhalten, weil mit eben solchen viel zu oft negative Erfahrungen verbunden
sind die häufig in dem Satz enden: „Bring doch mal den Müll runter!“ Als ob man
als erwachender Mensch nicht andere Dinge im Kopf hätte.
Heutzutage kann man als Kind ja froh sein, wenn man die Gute Nacht Geschichte
von seinen Eltern wenigstens als App erhält, während sie nebenbei ihr
Sexualleben bei „The Waking dead“ auffrischen.
Wie dem auch sei, ich hatte mich gründlich geirrt. Noch ehe ich mich an meinem
Kaffee verbrühen konnte, stürmte die 4c meine Werkstatt, in dem enthusiastischen
Bestreben Versteck zu spielen. Das erste was sie dabei entdeckten war die
Rattenfalle. Doch ich hatte Glück im Unglück. Johannes B. identifizierte die
vermeintliche Rattenfalle als Mausefalle. Dennoch war die Aufregung groß. Es war
fast so, als würden alle darauf warten, dass die niedliche, kleine Maus aus
ihrem Loch hervorkommt, auf das man sie gemeinschaftlich streicheln könnte.
Diesem Trend musste ich entschieden entgegen wirken.
„RUHE JETZT!“
Es dauerte einige Sekunden, und bedurfte auch mehrerer sich lautstark
steigernder Wiederholungen, bis die Kinder begriffen, dass die Lautstärke meiner
Brüllerei dem Zweck diente mich all ihrer Aufmerksamkeit, wenn auch nur für
kurze Zeit zu versichern.
„Ja, wir haben ein Mäuseproblem, aber vermutlich handelt es sich nur um ein
Einzelexemplar, wie mir Leute versicherten, deren Fallen ihr gerade entdeckt
habt.“
Die Stimmung danach war komisch. Die Kinder ließen wie von Geisterhand von dem
Versteck mit der vermeintlichen Mausefalle ab, und für ein paar Sekunden
herrschte betroffene Stille in der Werkstatt. Vermutlich dachten wir in dem
Moment alle dasselbe. Niemand wollte eine tote Ratte in der Falle sehen. Nur das
die Kinder nicht wussten, dass es eine Ratte war, und unwillkürlich kam mir der
Gedanke durch den Kopf.
Schade eigentlich.
Und Schade ist das richtige Wort. Denn bereits erwähnte
Schädlingsbekämpfungsfirma Schade ritt just in diesem Augenblick mit seinem
kahlköpfigen, in meinem Alter befindlichen Rattenjäger ein, und ich konnte ihn
nur mit Mühe davon abhalten, das Wort Ratte vor den Kindern in den Mund zu
nehmen. Vielleicht mache ich daraus mal einen Sonderdialog, denn mittlerweile
kann ich darüber lachen, wonach mir unmittelbar nach seinem Besuch nicht war, da
er mich mit Aufgaben betraute, die ich meinem Hausmeister vor kurzem noch
ausgeredet hatte. Das Loch der Ratte zu versiegeln. Ansonsten könne er nichts
tun, versicherte er mir, und ich hätte bis Mittwoch Zeit.
Zum Glück gibt es Jana K. und ihre schnell härtende Reliefmasse. Einen Tag hat
Bens Einbetonierung schon gehalten. Morgen kommt der Kahlkopf wieder. Irgendwas
sagt mir, dass er mich loben wird, und er seine Arbeit nun endlich adäquat
fortsetzen kann, nachdem der faule Hausmeister, der ihm diesen Dienst bisher
verweigerte krankheitsbedingt durch mich ersetzt wurde, weshalb ich sicher
nichts dagegen hätte, weitere Löcher mit diesem Wundermittel zu verputzen.
Ich bin so froh, dass ich nicht beim Finanzamt arbeite.
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Verfasst am : 22.11.2017 00:57
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schizo+=DUR?
Ben 2023- weil, mir ist gerade langweilig.
Dystopie.
Mittlerweile bin ich 52 Jahre alt. Ben hat nicht nur mein Leben versaut, sondern
darob noch dafür gesorgt, dass ich selbst dafür verantwortlich war, weswegen ich
mein arbeitsloses Hartz VI Empfangsgeld, das immer weniger wird, demütig wie
einen Almosen entgegen nehme.
Natürlich habe ich verstanden, dass sich die Mutter von Claire Chantal Becker,
Anfang des Jahres 2018, zu Recht darüber beschwerte, dass ihre Tochter von einer
ausgehungerten Ratte in meiner Werkstatt angegriffen wurde. Immerhin hatte ich
zugelassen, dass es soweit kommen konnte, wobei ich nie gedacht hätte, dass Ben
irgendwann tatsächlich ernst macht. Aber Ratten sind eben doch lebenslustiger
als wir. Während manch Mensch sich in umgekehrter Rolle vermutlich gern an den
Tod durch Selbstaufgabe gewöhnen würde, ticken Ratten da ein wenig anders.
So ein Blödsinn! Uruguay, Rubgy, 1972.
Utopie.
Wer hätte das gedacht. Mittlerweile lebe ich auf einem Bauernhof mit cirka 1400
Ratten, 12 Hennen, und einem überforderten Hahn, dem Ben, das Sprachrohr der
Rattenfraktion, mittlerweile nahe legt in den Ruhestand zu gehen, um den
künftigen Eibestand der Hennen nicht zu gefährden. Konkret bedeutet das zwar
immer noch, dass der Hahn in zwei Hälften am Hähnchengrill landet, aber welcher
Hahn hat noch vor gerade mal sechs Jahren ein solches Alter erreicht?
Damals hieß das noch Kükenschreddern, ein heute nahezu ausgestorbener Begriff.
Vielmehr dient er als mahnendes Element, und wurde vom Ministerium für positive
Rhetorik, in die Rubrik der geschützten Wortbegriffe einbalsamiert.
Ein Leben ohne Ben wäre für meinen Hof kaum noch vorstellbar. Zahllose Kadaver
von Wölfen, Füchsen, Mardern, und sogar Bären außerhalb des nicht umzäunten
Hofes, sprechen eine deutliche Sprache, denn der Hof expandiert mit jedem
Raubtier dem sich die Ratten widmen.
Ich brauche keinen Zaun.
Ich habe Ben.
Realität.
Firma Schade hat keine Kamera installiert. Ben wird vermutlich verhungern, und
irgendwann streng riechen. Ab dann kommen die Ameisen ins Spiel. Bei uns sind es
die schwarzen Wegeameisen. Noch wissen sie nichts von den argentinischen
Ameisen. Da bleibt für Ben nur die Flucht in die Utopie.
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Verfasst am : 16.11.2017 23:29
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Ben- eine Zwischenbilanz
Neues aus der Schule.
Uta ist eine liebenswerte Kollegin. Als ich ihr letzten Mittwoch erzählte, dass
ich eine Geschichte über Ben im Internet veröffentliche, musste sie besonders an
der Stelle mit der Integrationserzieherin und ihrem fehlenden Rattenschein
lachen. Danach erzählte ich ihr, dass einer meiner Kommentatoren (nicht auf
Facebook) die Geschichte mit der aktuellen Flüchtlingsdebatte unterschwellig in
Verbindung bringt, und sie lachte abermals. „Das ist doch ganz logisch“,
erklärte sie mir.
Ihre Worte hallen noch immer nach.
Daher habe ich mich entschlossen etwas klar zu stellen. Ben ist eine Ratte.
Ratten sind außergewöhnliche, und intelligente Tiere. In Großstädten sind sie
uns mindestens 3:1 überlegen, wobei ich diese Zahl für weit untertrieben halte.
Dennoch greifen sie uns nur in Ausnahmefällen an, obwohl schon eine einzige
genügen würde um manch menschlich Wesen in Panik zu versetzen. (Bei mir sind es
übrigens Kreuzspinnen) Viel eher steigt die Zahl der Kammerjäger immer mehr an.
Aber warum hausen Ratten so gern in der Nähe von Menschen? Ein Blick auf die
weggeworfenen Lebensmittel in den Müllkörben auf unserem Schulhof liefert die
Antwort. Wir werfen Dinge weg, die andere gern fressen. Wenn die wüssten, was
wir so täglich in uns reinschaufeln, aber das ist eine andere Geschichte, und
vielleicht wissen sie es ja auch. Schließlich haben Ratten, Krähen, Tauben,
Spatzen, Ameisen und andere Insekten eine wesentlich kürzere Lebensdauer. Und
schon sind wir beim Insektensterben in diesem Jahr. Wenn selbst der
Mainstreampresseclub über 75 % Insektensterben postuliert, und Amseln vom Himmel
fallen, dann gibt es auf das meist nur eine Antwort.
Der Klimawandel- und wir alle sind schuld!
Schuldkult als übergeordnetes Weltbild. Bis dahin bin ich überzeugt. Wir sind ja
immerhin die Krone der Schöpfung. Früher hieß das zwar mal Umweltschutz und CO2
war integraler Bestandteil des Ökosystems, aber was weiß ich schon. Der
Schwarmverstand der Grünen hat mich irgendwann auch mal davon überzeugt, es mit
einer Pazifistenpartei zu tun zu haben, bis ich lernte. „In Serbien ist gut
sterbien.“ Zitat: Stefan Sch., Straßensozialarbeiter bei einem Verein, der ihn
mittlerweile absägen will. Undank ist der Welt Lohn.
Was vermarktet wird kostet Geld.
Geld erweckt Misstrauen.
Misstrauen befreit die Lüge.
Lüge ist Tieren fremd, Täuschung allerdings nicht. Das wandelnde Blatt,
Stinkmorchel, die argentinische Ameise, u.s.w.
Bleibt die Frage. Belügen wir uns weil wir Menschen sind, oder ist die Lüge Teil
unserer Menschlichkeit? Und was, wenn das ansteckend ist?
Ps: Ich habe das Fenster nicht geöffnet, um Ben die Möglichkeit zu gestatten
raus zu kommen. Mein Hausmeister und letztlich ich selbst waren dagegen. Ich bin
ein Kontrollfreak, zumal ich ein Vogelhaus vor meinem Fenster aufgestellt habe,
und den Verdacht hege, dass Ben das offene Fenster nur nutzen würde um sich
Nahrung aus dem Vogelhaus zu besorgen, um vielleicht anschließend eine Familie
zu gründen.
Morgen kommt Firma Schade und stellt eine Kamera auf.
Die Schlinge um Ben wird enger, und ich erwische mich dabei wie ich seinen
selbst heraufbeschworenen Tod zu einer Randnotiz meines Lebens mache.
Ab morgen werde ich eine bessere Ratte!
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Verfasst am : 14.11.2017 23:32
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Ben IV- Das Ende einer Kinokarriere?
Neues aus der Schule.
Es ist noch nicht vorbei. Spätestens ab jetzt droht Ben die Verwahrlosung in
einer harmlosen Fernsehserie. Vielleicht werde ich sie, the walking Ben
nennen.
Montag, 13.11. 2017
Nur eine Frage beschäftigt mich, als ich gegen 11:30 Uhr das Schulgelände
betrete. Mit welcher Fresse begegnet mir mein Hausmeister. Tatsächlich ist er
der erste Mensch der mir im Schulgebäude begegnet. Selbstverständlich kein
Zufall, denn ich habe ihm das Erkennen meiner Gewohnheiten jahrelang
antrainiert.
Sein Gesicht spricht Bände. Während ich innerlich schmunzele, erkundige ich mich
äußerlich besorgt nach den aktuellen Befindlichkeiten der Firma Schade. Er
bringt mich auf den neuesten Stand. Eigentlich fehlt nur noch das Salutieren.
„Die Ratte war wohl in deiner Werkstatt, und benutzt den Zwischenraum zwischen
Werkstatt und Integrationsraum als Lager. Firma Schade ist überzeugt, dass es
ein Männchen ist, das keinen Weg mehr nach draußen findet. …Da hat wohl
irgendjemand von deinen Kollegen irgendwann mal die Tür zu lange aufgelassen.
…Jedenfalls wollen sie am Mittwoch eine Kamera aufstellen, und außerdem haben
sie an ihrem Ausgang eine zweite Falle aufgestellt.“
„Was ist mit dem Handtuch?“
„Welches Handtuch?“, fragt mein Hausmeister völlig zu Recht, und beantwortet mir
damit gleich eine Frage, die ich noch gar nicht gestellt habe.
„Na das, was sie in die Öffnung gesteckt haben um der Ratte den Weg zu
versperren?“ Mein Hausmeister sieht mich ungläubig an. „Ich bin doch da nicht
mit rein gegangen, ich bin doch nicht verrückt.“
Folgender Gedanke geht mir durch den Kopf, nachdem ich Bens letzten Tatort
untersucht habe. Meine unangetastete Boulette. Und tatsächlich entdecke ich neue
Spuren, nachdem ich den Hausmeister abgewimmelt habe. Staub ist ein besserer
Zeitmesser als jede Uhr.
…
„Sie wollen außerdem, dass wir eine Art Metallschutz an die Heizungsrohre
anbringen, damit die Ratte nicht in die Mensa flüchten kann.“, unterbricht der
doch nicht ganz abgewimmelte Hausmeister meine Gedanken. In diesem Moment
passiert alles auf einmal, und das mitten in meinem Kopf.
Ich merke, dass ich Ben nicht tot in einer Falle sehen will. Genauso wenig
möchte ich Bens Großfamilie in meiner Werkstatt haben, während Kinder lernen mit
Säge, Feile, Hammer und Nagel umzugehen. Aber ich kann seine permanente
Anwesenheit auch nicht ignorieren. Vor kurzem kam mir der Gedanke, einfach mal
das Fenster offen zu lassen, damit er entkommen kann. Doch was, wenn er anstatt
zu fliehen den Keller mit seinesgleichen fluten würde?
„Nein!“, antworte ich entschieden, und begründe. „Wir werden schließlich nicht
dafür bezahlt ein Problem zu beheben für dessen Lösung die Stadt eine Firma
bezahlt hat.“ Er stimmt mir zu. Als Beigabe erwähne ich noch: „Und stell dir nur
vor, du bist gerade am Arbeiten, und plötzlich springt dich dieses völlig
verhungerte Rattenvieh an.“ Das überzeugt meinen Hausmeister endgültig.
Ich komme wieder zu eigenen Gedanken. Immer mehr wird mir klar, dass ich von
einer Ratte besessen bin. Indem ich ihre Spuren verfolge mache ich mich zum
Instrument ihres Willens.
Momentan will Ben nur raus, und löst arrogant Fallen aus die von
offensichtlichen Dilettanten aufgestellt wurden, die seine Natur nicht
ansatzweise verstehen.
Daher. Fenster auf. Das Experiment beginnt.
Dienstag.
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Verfasst am : 13.11.2017 22:34
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Ben III- Boulettenalarm!
Neues aus der Schule.
Ruhig geworden es ist um Ben.
Seit zwei Tagen er keine Fäkalien mehr hinterlassen hat.
Selbst unser Hausmeister hat keine Angst mehr den Keller zu betreten.
„Wahrscheinlich ist das Vieh schon längst weg! Nächste Woche können wir den
Keller wieder freigeben. Sagt jedenfalls Firma Schade.“, beschwichtigt er mich
und verabschiedet sich ins Wochenende. Die Beschwichtigung wirkt. Ich verbringe
den Rest des Nachmittags in der dritten Etage und lasse mich von Erstklässlern
mit Kissen bewerfen.
Plötzlich fällt mir die Boulette ein die unbeaufsichtigt in meiner Werkstatt
liegt. Eilig verabschiede ich mich und rase zehn Minuten vor Dienstende in den
Keller. Als ich die Boulette sehe erfasst mich Erleichterung. Sie ist
unversehrt. Doch kurz darauf erfasst mich ein Schaudern. Unmittelbar neben der
Boulette entdecke ich frische Spuren im Staub, was mich zu folgender
Schlussfolgerung bringt. Wenn Ben, oder die schwangere Benita eine
selbstzubereitete Boulette vom Bäckermeister aus Wensickendorf verschmäht… Meine
Gedanken werden jäh unterbrochen. Ein tickendes Geräusch von den mit Glaswolle
isolierten und mit Plastik versiegelten Heizungsrohren bahnt sich in meine
Gehörgangsenden. Leise schleiche ich mich an. Das Geräusch verschwindet.
Dann esse ich die Boulette, fahre nach Hause und schreibe.
Schönes Wochenende!
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Verfasst am : 10.11.2017 22:20
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Ben II- Der gnadenlose Kunstkritiker
Neues aus der Schule
Zwei Monate lang wurde Ben von niemandem mehr gesehen.
Zumindest offiziell.
Inoffiziell wussten lediglich der Hausmeister, die Leitung und ich etwas davon,
und niemand von uns hatte ein Interesse daran eine panische Elternschaft zu
besänftigen, weshalb ich mich der verschwörerischen Gesellschaft des Schweigens
ohne Murren anschloss. Doch dann häuften sich die Einzelfälle, und natürlich
häuften sie sich in meiner Etage, dem Keller.
Als erstes war die Reinigungskammer dran. Dort hatte sich Ben an einigen
Polyesterschwämmen vergangen und als Zeichen seiner Missbilligung ein paar
Kotbrocken in Form von Torpedos hinterlassen. Nie werde ich den Gesichtsausdruck
meines Hausmeisters vergessen, als ich plötzlich schrie: „Da hat sich was
zwischen den Scheuerlappen bewegt!“ Wie von einer Tarantel gestochen sprang er
in den sicheren Gang zurück, während ich mir vor Lachen den Bauch hielt. „Dit
kannste doch nich mit mir machen!“, keuchte er, während seine Hände kampfbereit
einen zitternden Spaten hielten. Ich verschloss vorsichtshalber die Tür.
Immerhin waren Kinder in der Nähe.
Nachdem er sich von dem Schock erholt hatte beauftragte er eine
Schädlingsbekämpfungsfirma. Danach wurde ein von den Bauarbeitern undichtes Rohr
verstopft und ein paar Rattenköder ausgelegt. Was für eine Zeitverschwendung.
Ben hatte lediglich den Raum nach Nahrung untersucht und ihn für untauglich
befunden. Es war nur eine Frage der Zeit wann er woanders auftauchen würde. Und
das tat er auch. Ausgerechnet im Kreativraum, in dem Werke entstanden, die
manche Eltern dazu brachte ihre Kinder später in Kunsthochschulen zu stecken an
denen sie völlig überfordert waren, aber das ist eine andere Geschichte. Ben
hatte ohnehin auf das geschissen, was ich vergessen hatte im Müll zu entsorgen.
Unauffällig verwischte ich die Spuren und versperrte zusammen mit dem
Hausmeister den Eingang.
Wir gewannen einen weiteren Monat.
…
Aber dann.
Donnerstag, Oktoberferien 2017. (ein Wochenende vor Schulbeginn)
Ein Schrei.
„TORSTEN, KOMMA GANZ SCHNELL!“, schrillte es aus dem Raum meiner
Integrationserzieherin.
„Komma ganz schnell“ ist nun wirklich kein Signal mit dem man mich hinter dem
Ofen hervor holt, auch wenn es von einer Frau stammt, aber die Frequenz ihrer
Stimme deutete auf eine Panik hin, die mir eine gewisse Neugier entlockte. Als
ich sah was sie mir zeigte lief es mir eiskalt den Rücken herunter. Ben hatte
seine Torpedos nicht nur in der Ecke ihres Raumes hinterlassen, er hatte es sich
in dem Raum vielmehr gemütlich gemacht und unter anderem auf die
Entspannungsmatratzen geschissen, die eigentlich für die Kinder gedacht waren.
Ein Gedanke ließ mich nicht mehr los. Ben wollte also integriert werden. Sein
Pech nur, dass unsere Integrationserzieherin noch keinen Rattenschein hatte.
Noch am selben Abend machte ich Bekanntschaft mit der Firma Schade, und einem
unbeirrbaren, jungen Schädlingsbkämpfer, der mir versicherte noch jede Ratte
erwischt zu haben. Einer hätte er sogar eine ganze Woche aufgelauert um sie
letztlich zu kriegen, und außerdem studierte er zahllose Youtube Videos von
bedeutenden Biologen über das Verhalten von Ratten. Je mehr ich mich für seine
Methoden interessierte, desto mehr kam ich mir wie eine ertappte Ratte vor.
Aktueller Stand 7.11.2017
Der junge unbeirrbare Schädlingsbekämpfer wurde abgezogen. Sein Chef persönlich
hatte drei weitere Rattenfallen aufgestellt und damit meinen überängstlichen
Hausmeister zusätzlich beruhigt. Wie wenig der Mann, im Gegensatz zu seinem
Azubi doch über Ratten wusste. Immer mehr wurde mir klar, dass ich etwas
unternehmen musste, zumal das Geheimnis mittlerweile nicht mehr geheim war. Es
war ausgerechnet Johannes B., der in der Hofpause bemerkte. „Ist das eine
Mausefalle da in der Ecke?“ Vor meinem geistigen Auge spielte sich bereits das
Tischthema der Familie B. zur Abendbrotzeit ab.
„Na, was gibt es neues aus der Schule?“, hörte ich Frau B. fragen.
„Och, nix besonderes. Lilien zofft sich mal wieder mit Maja, weil sie beide in
Emil verknallt sind, Frau M. hatte heute einen Tobsuchtsanfall in der
Mattestunde weil die Klasse so laut war, und Herr M. hat Mäuse in seiner
Werkstatt…“
„MÄUSE?“
„Naja, da war `ne Mausefalle…“
„Wie groß war denn die Mausefalle?“
-einige Minuten später-
Die Kinder liegen bereits in den Betten.
Frau B. (aufgeregt): „Ich habs dir doch gleich gesagt, die haben ein
Rattenproblem an der Schule, aber dieser blökende Nichtstuer von Hausmeister
meint ja, ich wäre blöd!“
Herr B.: „Schatz… entspann dich. Vielleicht sind es wirklich bloß Mäuse.“ Frau
B. wirft ihm einen finsteren Blick zu. „Als ob das die Sache besser machen
würde. Und hör endlich auf, auf deinem Smartphone herumzuspielen, wenn ich mit
dir rede!“
Das war gestern.
Von heute schreibe ich dann morgen.
Bis übermorgen also.
PS: Falls ihr glaubt, ich sauge mir das alles nur aus den Fingern. Pustekuchen!
Das einzige was ich nicht weiß ist, ob Ben vielleicht gar kein Ben ist. Und was
wenn sie schwanger ist?...
Oops!
Zum Schluss noch eine Verschwörungstheorie.
Marc Plaetrich ist ein Mädchen, und Honkyschwonky ihr Idol. Oder Schorsch
Chancentod. Oder beide.
zum Artikel
Verfasst am : 07.11.2017 21:31
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